Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 18/2010
Liebe Frau Andrea,
letzte Woche durch die fade St. Pöltner Innenstadt schlendernd, fiel mir in einem Schaufenster, inmitten von Samt und anderem Deko-Klumpat stehend, ein Buch ins Auge: „Mein erster Roman“. Wieso schreibt man die Langform der schriftlich fixierten Erzählung gleich wie den Vornamen Roman? Geht es bei diesem Buch um ein nettes Geschenk für Hobbyschriftsteller oder um einen sexuellen Erfahrungsbericht einer verzweifelten Zwanzigjährigen, die ihren „ersten Roman“ im Bett hatte?
Liebe Grüße aus einer WG im 2. Wiener Gemeindebezirk,
Fabian Bouda
Lieber Fabian,
gerne trete ich mit sachdienlichen Hinweisen an Ihre Seite. Ein Foto, der von Ihnen entdeckten Sankt Pöltener Innenstadt-Auslage wäre insoferne hilfreich, als sich darauf nähere Details zu dem von Ihnen beschriebenen literarischen Werk fänden. Eine Abfrage beim VLB, dem Verzeichnis Lieferbarer Bücher konnte über Inhalt und Autor keine Erkenntnisse bringen. Das Standardwerk des Buchhandels listet als umfassende Datenbank für Buchhandel und Bibliothekswesen alle lieferbaren deutschsprachigen Publikationen auf und zeichnet sich dabei durch seine Vollständigkeit aus. Ein Werk mit dem Titel “Mein erster Roman” kennt das VBL nicht. Das soll uns bei unserer Erörterung aber nicht weiter stören. Möglicherweise handelt es sich bei dem Werk “Mein erster Roman” nämlich selbst um ein Deko-Produkt, um einen Dummy der Auslagen-Dekorations-Branche. Das von ihnen beschriebene Setting, Samt und “Deko-Klumpat” liesse solch eine Deutung ihrer Sichtung durchaus zu. Die Langform der verschrifteten Erzählung ist aus dem französischen entlehnt, wo der roman, altfranzösisch romanz, romant, ursprünglich aus dem Lateinischen (Römischen) ins Französische übersetzte Bücher bezeichnete. Seit dem 15. Jh. bezeichnete es epische Werke zu abenteuerlichen Stoffen in der Vergangenheit, erst ab dem 17. Jh. fand es seine heutige Bedeutung. Die Existenz einer Monographie mit dem Titel “Mein erster Roman” wäre durchaus denkbar, spielte aber gewiss mit seiner satirischen Nebenbedeutung. Ich tippe auf ein raffiniertes Erstlingswerk, in dessen narrativem Zentrum die Begegnung eines Backfisches mit dem Filmregisseur Roman Polanski steht.
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