Null Vertrauen

Für meine Gastkolumne in den Salzburger Nachrichten vom 2.1.2010
Halleluja! Die Raketen sind in den Himmel gestiegen, die Sektkorken haben geknallt, die Pummerin hat geläutet und den Donauwalzer haben wir getanzt. Das Jahrzehnt ist zu Ende gegangen. Als es begann, waren wir guten Mutes. Wir setzten uns Jahrtausendbrillen auf und sprangen voll Zuversicht ins neue Millenium. Wir konnten auf ein fantastisches Jahrtausend hoffen, ein grandioses Jahrhundert, ein fulminantes Jahrzehnt. Aber die Geschichte war ein Spielverderber, sie holte nicht das Heldenbuch aus dem Regal, sie schlug den Notizblock mit den trockenen Witzen auf und schrieb ein paar ausufernde Sketche für die Heilsbringer George W. Bush und Wolfgang Schüssel. Der eine taumelte als Retter der Welt auf den Plan, der andere setzte sich mit Haider in den Porsche. Umgekehrt wäre es sicher lustiger geworden.
Die Nullerjahre, so wird das Jahrzehnt bei uns aller Voraussicht nach heißen, sie waren eine teuflische Zeit. Wir gewöhnten uns daran, in Nagelscheren, Rasierwasser und Streichhölzern Werkzeuge des Terrors zu sehen, wir zogen uns auf den Flughäfen aus, lösten Reisepässe mit Chips und Fingerabdrücken, wir lernten, so richtig Angst zu haben. Angst vor dem hageren Asketen mit dem schwarzen Bart, der irgendwo in den afghanischen Bergen saß und Horden von Selbstmordattentätern dirigierte, Angst vor dem affenäugigen Cowboy, dem erleuchteten Kriegspräsidenten und ja, auch Angst vor den gepressten Lippen des großen Schweigers, der mit eiserner Hand Schnitzelland panierte, das Rad der Erkenntnis zurückschraubte und Witzfiguren in die heimischen Ministerien taumeln ließ. Manchen, das war das wirklich Beängstigende, ging es in den Nullerjahren wirklich gut. Den Heuschrecken. Den Waffenproduzenten. Den Vaterlandsfreunden. Den Privatisierern. Den Eventmanagern. Den Immobilienhaien. Den Fondsjongleuren. Den Bonibankern. Den Freunderln und Freundesfreunderln.
Aber dann kam das dicke Ende. Dann kam der Weltwirtschaftstsunami. Die Mutter aller Krisen. Bankenimperien stürzten zusammen wie Kartenhäuser im Abendwind, Börsenkurse knatterten in den Keller. Das Ende der Welt wurde ausgerufen. Pyramidenbauer Madoff ging in den Knast. Und Elsner, der golfende Bawag-General. Das war’s. Mehr Verbrecher wurden nicht geortet. Hie und dort wurde eine Ungenauigkeit entdeckt, eine deviante Yachtfahrt unter Freunden, eine marginale Fehlspekulation, ein lässliches Fehlerchen, ein klitzekleines Millardenverlusterl, aber Schuld trug da niemand. Neue Kartenhäuser wurden aufgestellt. Mit geborgten Zahnstochern aus trügerischer Hoffnung zusammengenestelt. Auf die Idee, ein neues Spiel zu erfinden, kam keiner. Wir spielen also weiter Monopoly. Heben bei Start zwanzigtausend ab und hoffen, dass möglichst viele Trotteln das Grundstück mit unserem Kartenhaushotel erwürfeln. Die Zehner können kommen, koste es, was es wolle. Wir haben null Vertrauen, aber jede Menge Zuversicht.

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