Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 50/2009
Liebe Frau Andrea,
nächstes Jahr kommt meine kleine Tochter Zoé in den Kindergarten. Muss ich mit bleibenden Schäden rechnen, wenn sie in ihrer Vorschulkarriere Nikolaus und Krampus nicht kennenlernt?
Desirée Hinterleitner, Neubau, per Elektrobrief
Liebe Desirée,
mit einiger Sicherheit dürfte Ihrer kleinen Prinzessin die Begegnung mit dem Gut-Böse-Team des österreichischen Pantheons erspart bleiben. Es sei denn, sie griffen auf die Dienste privater Nikolaus-und-Krampus-Darsteller zurück. Davor möchte ich eindrücklich warnen. In die Rolle von Teufel und Bischof schlüpfen allzugern alleinstehende Männer, die sich tiefer in ihre Rollen versenken, als es Erziehungsberechtigten lieb sein sollte. Führende Kinderpsychologen haben sich inzwischen mit der Verbannung des Krampus aus Spielstuben und Krabbelwiesen abgefunden, das Fehlen von nikolaudischen Kindergartenbesuchen beklagen sie dennoch. Den Nachweis, dass Bartrauschen, Mitragewackel und das geheimnisvolle Wühlen in tiefen Säcken mit aufgeklärtem Heranwachsen in Einklang gebracht werden kann, bleiben sie schuldig. Sollten sie für ihre Tochter Zoé den Berufsweg einer Psychotante vorsehen, wären frühkindliche Erschütterungen durch erwachsene Verkleidete kein grosser Nachteil. Wie mache ich Prinzesschen, werden Sie mich jetzt fragen, mit dem Prinzip Gut-Böse vertraut? Nichts leichter als das, antworte ich Ihnen, das österreichische Fernsehen hält eine Palette von Sendungen bereit, die jede Schattierung zwischen Himmel und Hölle illustriert. Als Einstiegsvorlesung wollen wir an Andi und Alex aus der Küchensendung “Frisch gekocht” erinnern. Prof. Andreas Wojta und Prof. Alexander Fankhauser spielen behände auf der Klaviatur österreichischer Abgründe. Aber auch die hohen Momente heimischer Kleingötterdarstellung wollen ihnen gelingen. Erdiger geht es im Parlament zu. Zögern Sie nicht, Ihr Töchterchen schon früh mit dem Vokabular des parteipolitischen Insults vertraut zu machen. Eine Karriere im Hohen Haus werden sie gewiss zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Glaskugel ihres Kindes Zukunft sehen, für die Sandkiste eignen sich die Mechanismen parlamentarischer Kommunikation allemal. Sollte sie darin noch immer zu wenig lebensschulenden Krampuseratz erblicken, bliebe immer noch das Hochleistungsmalefizium “Vera”.
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