Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 40/2009
Liebe Frau Andrea,
neulich erörterten wir die Schrecken der Berufskrankheiten. Mangels Erfahrungen an Hochöfen und in Quecksilberbergwerken fielen uns nur Freizeitmalaisen wie Sofasurfbauch und Postflexmigräne ein. Bis jemand in unserer Runde erwähnte, beim Headbanging seien schon einige Kids an Genickbruch gestorben. Ist Musik gefährlich?
Joe Grill, Ebensee/Margareten, per Elektropost
Lieber Joe,
über die Auswirkungen von Livemusik auf die körperliche und seelische Integrität von Jugendlichen zirkulieren die abenteuerlichsten Geschichten. Wir wollen die physische Komponente diverser Publikums-Turnübungen wie Pogo und Moshing, Stomping und Wrecking, Violent Dancing und Slamdance, Crowd Surfing und Headwalking nicht unterbewerten, aber: Die Hubschrauber steigen eindeutig öfter wegen verunglückter Skifahrer, Mountainbiker und Komatrinker auf. Über die Nebeneffekte des Headbanging kann uns Terry Balsamo, Gitarrist der US-amerikanischen Band Evanescence berichten. 2005 erlitt er infolge exzessiven Schädelschüttelns einen Schlaganfall. Mehr Glück hatte Craig Jones von der Maskenmetall-Band Slipknot – er fasste nur ein Schleudertrauma aus. Über tote Kids ist wenig bekannt, der Kwikwi scheint es auf Profis abgesehen zu haben.
Auch jenseits von Schwermetall und Todespunk leben Musiker gefährlich. Blechbläser berichten von Zahnfehlstellungen, ausgeleierten Kiefern und Metall-Allergien, Klarinettisten von Daumenzerrungen, Gitarristen und Pianisten vom Karpaltunnel-Syndrom und fokaler Dystonie vulgo Musikerkrampf. Andere gefürchtete Krankheiten im Orchestergraben sind Taubheit, Tuba-Lippen, Fagottbläser-Zeigefinger, Hornisten-Lähmung, Geiger-Nacken, Gitarristen-Nippel und Harfenistinnen-Krampf, das entzündliche Celloknie und die von Alkoholabusus begleitete Orchesterdepression.
Legendär und gefürchtet ist bei Jazz-Trompetern der Riss des orbicularis oris. Die Ruptur des mundumlaufenden Muskels heisst nach seinem prominentesten Opfer Louis “Satchelmouth” Armstrong “Satchmo-Syndrom”. Vor einer Krankheit, die jahrzehntelang durch die medizinische Fachliteratur geisterte, müssen wir uns nicht mehr fürchten. Der schmerzhaft-entzündliche Cello-Hoden wurde 1974 von der Alzheimer-Expertin Dr. Elaine Murphy und ihrem Ehemann Baron John, Chef einer Brauerei, schlicht und einfach erfunden.
www.comandantina.com dusl@falter.at