Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 22/2009
Verehrte Frau Andrea,
ich habe vor kurzem als Erklärung für das Wort „Jubelperser“ gehört, dass die persische Botschaft regimefreundliche Studenten abgeordnet hat, um dem Schah bei seinem Berlin-Besuch 1967 zuzujubeln – als Kontrast zu den angekündigten Protesten. Gibt es ältere Erscheinungsformen der „Jubelperser“?
Mit besten Grüßen, Sebastian Toifl, 1150 Wien, per Elektropost
Lieber Sebastian,
“Jubelperser” ist ein Terminus der späten Sechzigerjahre. Der in Europa geläufige Ausdruck Perser für die Einwohner des Iran geht auf das Parsa der Achämeniden zurück, die im 6. Jahrhundert v. Chr. das erste persische Großreich schufen. Die Griechen bezeichneten mit Persis die Gegend um die heutige Provinz Fars um Schiraz, von ihr leitet sich auch die Bezeichnung Farsi für Persisch ab. Der Vater des von ihnen erwähnten Schah Reza Pahlewi hatte allerdings schon 1935 für das Land den früheren Namen Iran (von Aryānām Xšaθra, Arierland) eingeführt.
Das Jubeln kommt über das altfranzösische vom lateinischen iubilum, dem Freudenruf der Hirten und Jäger. Damit vermischt sich eine zweite Quelle, die den Jubel selbst bezeichnet. Nach dem mosaischen Gesetz war jedes 50. Jahr ein Jubeljahr, das mit dem Widderhorn (hebräisch jo̅vēl) eingeblasen wurde. Jubela, Jubelo, Jubelum wiederum hiessen die drei Steinmetzgesellen, die nach freimaurerischer Legende Hiram Abif, den Erbauer des Salomonischen Tempels ermordeten, weil er ihnen das geheime Meisterwort nicht geben wollte.
Ein Artikel über “Die Jubelperser” in “DIE ZEIT”, datiert vom 30. Juni 1967, beleuchtet die Vorgänge, die zu den radikalen Studentenprotesten in West-Berlin und der BRD führen sollten. Am 2. Juni besuchte der Schah West-Berlin für einen Tag. Bei seiner Ankunft demonstrierten rund 400 Schahgegner, riefen „Mörder, Mörder“ und forderten Amnestie für politische Gefangene. Sie trafen auf etwa einhundert Schahanhänger, darunter Agenten des iranisches Geheimdienstes SAVAK. Nach dem Eintritt des Schahs in das Schöneberger Rathaus griffen diese “Jubelperser” die Gegendemonstranten plötzlich mit Holzlatten, Schlagstöcken und Stahlrohren an. Die anwesende Polizei griff bei der blutigen Prügelei nicht ein. Am Abend, anlässlich einer Galaaufführung der „Zauberflöte“ in der Deutschen Oper zu Ehren des das Schah-Ehepaars sollte sich die Gewalt schliesslich weiter zuspitzen. Gegen 20:30 Uhr fiel ein Schuss, der den 26-jährigen Romanistik- und Germanistik-Studenten Benno Ohnesorg aus etwa eineinhalb Metern Entfernung in den Hinterkopf traf. Die Tat von Kriminalobermeister Karl-Heinz Kurras führte zu einer Ausbreitung und Radikalisierung der damaligen Westdeutschen und West-Berliner Studentenbewegung. Dass der Todesschütze in Diensten der Stasi stand, war damals nicht bekannt.
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Sehr informativer Beitrag, vielen Dank