Die Katze des Wahnsinns

 Andrea Maria Dusl hat sich einen Wagen gekauft. Falter 39/2008. Für Falter 39/2008

Es war Sommer und es war warm, ich schlenderte die Gumpendorferstrasse hinunter, war zu früh im heissen Café. Zehn Minuten Sommersonne wollten kaltgeschlagen werden. Aus der Auslage vor dem coolen Auto-Geschäft lachte Schatten. Im Schattenladen lachte der Marmorboden. Coole Sache, dachte ich mir, zehn Minuten Abkühlung werden Dich erfrischen. Aus einer Nische wieselte ein Beau: Es passt zu ihnen, unser Top-Modell, bunt, modern, frei. Bin nur wegen des Schattens gekommen, sagte ich. Der Beau lenkte meine Schritte um das rundschultrige Autochen. Schöne Räder hat es, sagte ich, lustiges Design. Abrakadabra, sagte der Beau, genau das richtige, spritzig und doch sparsam, wendig und flink, viele Freischaffende fahren jetzt den Mini. Geben Sie mir ein Prospekt, geben sie mir eine Preisliste, geben sie mir eine Farbtabelle, die Motordaten, das Extraheft, geben sie mir das ganze Paket, das Autochen gefällt mir, das werde ich mir kaufen. In Kürze, sagte ich, muss noch frei schaffen. So war das im Mini-Cooper-Geschäft, coole Sache, bald würde es mein sein, das rundschultrige Mickeymobil. Wie sollte ich mich irren.

Ich kaufe mir ein Auto, erzählte ich meiner Maman, ein Mickeymobil, hurtig ist es und frisch, modern und dings, sparsam. Nicht gern an der Tanke, gerade mein Ding. Bald ist es meins, Geld spielt eine Rolle, aber die Rolle ist klein. Ich habe ein reines Gewissen, Maman, ich bin in Wien schon Rad gefahren, als das nur Selbstmörder gemacht haben und Radrennfahrer. Ich habe mir 35 Jahre Radfahrbonus erfahren und ebensoviele Jahre die Bim-Sitzbank gedrückt, der Grüne, der mir eine Auto verbietet, werfe den ersten Stein. Bald wird ein flottes Bobomobil das meinige sein, ein kräftiger Asphaltfrosch.

Schnell noch mal ins Internet schaun, dachte ich dann, bisschen nach Autos surfen, schaun’ was es da so alles an Hässlichem gibt, an Rostigem, an leicht aus der Mode gekommenen. Tausendmal hatte ich das schon gemacht, tausendmal war nichts passiert, aber diesmal… Ich hatte auf den Link mit den grossen Katzen gescrollt. Auf den Link mit den unbezahlbaren Jaguaren. Unfassbare Summen rollten über meinen Browser. Aber schön waren sie, die XJ6s und Sovereigns, die E-Types und XJ12s. Schön und elegant, very british und sehr stark. Und dann scrollte ich und scrollte und die Summen wurden moderater, die Baujahre älter, die Formen gediegener. Und dann machte es Zing und ich war verloren. Und das Bobomobil war vergessen.

In der Nähe von Graz wurde er dann mein. Mein erster Wagen. Meine erstes eigene Limousine, ein jade-metallissée-grüner Xj6, Baujahr 1990, 240 Pferde unter der niedrigen Schnauze, ein springender Chromjaguar als Kimmenkorn, getönte Scheiben und Leder für einen ganzen Londoner Club, wasabifarben. Jaguars hatte ich bisher immer nur von Aussen gesehen, von Schnöseln pilotiert, die im foulardkrawattierten Kapitänsjacket zwischen Golfplatz und Chalet tingelten, oder sich vom Mützenmann zur Vorstandsitzung bringen liessen, mit der Financial Times bedeckt, im Font, in einer Tiefe, die sonst nur den Rennwagen vorbehalten ist. So einer war jetzt meiner. Kein Auto, ein Wagen. Eine Limousine, ein Meisterstück.

Bist Du Wahnsinnig, die Kosten! Nebbich, sage ich. Die paar Achterln mehr, die meine 240 Pferde trinken, habe ich in glorioses Gleiten investiert, aus den beiden Chromrohren links und rechts am Jaguarheck kommen katalysatorgereinigte Edelabgase, der ÖAMTC nickt und schreibt “sehr brav” ins Pickerlheft. Hat er nicht Husten, der Kater? Nada, sage ich, die Getriebewanne schwitzt ein bisschen, aber sonst ist die Maschine bester Laune. Sie schnurrt, wenn der Zündschlüssel Funken schlägt, schnurrt, wenn es aus der Volksgarage rauf geht auf die Innenstadtpiste, schnurrt, wenn ich in die Inspirationsmanufaktur fahre, in den Süden, oder ins Funkyhaus. Mein Jaguar schnurrt eigentlich immer, aber wenn ich ein bisschen aufs Pedal steige, unten rechts, neben dem dicken warmen Getriebetunnel, wenn ich dort ein bisschen impressionistisch antupfe, dann schnellt der Jaguar nach vorne, leichtfüssig wie ein Dschungelkater und drückt mich ins Leder. Ich mag das, das tiefe Sitzen in Leder und Nuss, hinter sechs grossen Zylindern, das Gleiten über die holprigen Wege, ich mag die kraftvolle Nonchalançe, dieses, na wie sag ichs, dieses böse und doch so sanfte Mata-Hari-Gefühl.


Jaguar XJ6 4.0 Litre
Baujahr 1990, Wassergekühlter Sechszylinder-Reihenmotor, vorne längs eingebaut, 3980 cm3, 240 PS bei 5250/min, max. Drehmoment 369 Nm bei 3600/min, Verdichtung 9,5:1, siebenfach gelagerte Kurbelwelle, zwei obenliegende Nockenwellen, kettengetrieben, vier Ventile pro Zylinder, über Tastenstössel benötigt. Elektronische Benzineinspritzung, G-Kat.

Hinterradantrieb, automatisches Vierganggetriebe.

Viertürige, fünfsitzige Limousine, elektrisch verstellbare Sitze und Spiegel, selbsttragende Stahlkarosserie, cw-Wert 0,37, 0-100km/h in 7s, Höchtgeschwindigkeit 249 km/h, Verbrauch im Comandantina-Modus 9l /90km.

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