Krank im Haus

Scrubs.jpgLiebe Frau Andrea,
als langjährige Patientin und „gezwungenermaßen“ Spitalsbesucherin wundere ich mich immer wieder über die allgemeine Beliebtheit und inflationäre Verbreitung von Krankenhaus-Soaps á la „Dr. House“, „Greys Anatomy“, „Crossing Jordan“, etc. Wieso können sich Menschen für virtuelle Behandlungen oder Fehlbehandlungen von MedizinernInnen begeistern, wenn sie doch froh sein sollten, damit real nichts zu tun zu haben? Mit der Hoffnung auf tröstliche Aufklärung,
Doris Skala, per Elektropost.
Liebe Doris,
die Abgründe der menschlichen Seele sind bekanntlich tief. Und sie scheinen mit der Sicherheit des Beobachtungsstandortes an Tiefe zu gewinnen. Der Beliebtheit von Kriminal- und Horrorfilmen tut es auch keinen Abbruch, daß die wenigsten von uns eine Sehnsucht danach verspüren, erschossen, erwürgt, erstochen, zerstückelt oder verspeist zu werden. Krankenhaus- und Arztpraxisserien gehören zum quotenmächtigsten Genre überhaupt. In patientenfernem Einklang mit dem hierarchischen Gefälle im Gesundheitswesen werden die Geschichten stets aus der Sicht des medizinischen Personals erzählt. Kranke, Siechende und Leichen sind zu Stichwortgebern und Objekten degradiert. Die Emapthie gilt dem Personal an der Schwelle zwischen Leben und Tod: Medizinstudenten, Oberärzten, Palmenklinikchefs, fliegende Notärzten und Spitalspathologen. Dass das Genre sogar komödientauglich ist, bewiesen die Vietnam-Feldlazarett-Serie M*A*S*H und Lars von Triers durchgeknallte Horror-Trash-Klinik-Soap Riket (The Kingdom). Auch hier gilt die alte Showbusiness-Weisheit: Wer keine Sorgen hat, schaut sich die von anderen an.
www.comandantina.com dusl@falter.at
Für meine Kolumne ‚Fragen Sie Frau Andrea‘ in Falter 48/2007

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