Mein Papst?

POLEMIK Wenn ich glaube, dann mir. Eine Lästerung.
Erschienen anlässlich des Österreichbesuchs von Papst Benedikt XVI. im Politikteil von Falter 35/2007.
Wem gehört dieser Papst eigentlich? Wenn es nach Karl Ratzinger und seiner Organisation geht, gehört der Papst uns allen. Sofern wir rechten Glaubens sind. Wenn es es nach den Deutschen geht – die sind nämlich jetzt Papst – gehört er mit Haut und weissem Haar unseren Kollegen im Tschüssiland. Die Italiener wiederum haben den Pontifex wie stets zu ihrem ganz persönlichen Väterchen ausgerufen. Allen gehört er. Nur mir nicht. Ich hab nämlich nichts am Hut mit dem Mann mit der Friseurstimme.
Despektierlich, nicht wahr, wie ich über den Heiligen Vater spreche! Aber ich kann nicht anders, die Nonnen, die mich als Kind gequält haben, haben mich für die katholischen Glaubensinhalte und ihr Personal verdorben. So böse haben sie es mit mir getrieben, dass ich das Konzept Glauben überhaupt eingestellt habe. Wenn ich an etwas glaube, dann an mich. Vatikan brauche ich dafür keinen. Despektierlich, wie ich eine Lichtfigur vom Format Benedettos hier in laizistische Schmonzes schachtle. Aber so würde auch die Rapidseele kochen, wenn ich Sankt Hanappi der Unwichtigkeit ziehe.
Auch wenn sich in meinem Seelengebirge Mariazell spirituell nicht mit dem Stadionbad messen kann, die katholische Kirche lässt mich nicht kalt. Ihre Rituale sind ja nicht ohne: Vereinsversammlungen unter Alkoholkonsum, symbolischer Kanibalismus, alleinstehende Männer in Spitzenkleidchen, die sich von jungen Buben in ebensolchem Fummel Weihrauch zuschwenken lassen. Tuckiges Kulttum, das tief aus dem vorantiken Babylon auf uns gekommen ist. Dazu ein Religionsheld, der zu Abertausenden an unsere Wegesränder genagelt ist. Langhaarig, ausgemergelt und nackt.
Benedikt-XVI.jpgGäbe es das Konkordat nicht, den Vertrag zwischen Vatikan und Staat, der seltsame Verein müsste wegen Obskurantismus unter Beobachtung gestellt werden. Wenn das Reich Gottes kommt, wird dann die Republik abgeschafft? Und wieso wird der Obmann auf Lebenszeit gewählt? Und nicht jährlich ermittelt, wie in jedem kleinen Sparverein? Nun gut, über Volkes Opium soll nicht gelästert werden, siehe Rapid. Wem diese Zeilen seelisch zusetzen sollten, möge sich bei den Schulschwestern beschweren. Die haben Schlimmeres mit mir angestellt.
Vom ideologischen Standpunkt gefällt mir weder der Katholizismus noch irgendeine Gottesprojektion, da bin ich nicht wählerisch, nicht mal die Buddhisten haben meinen Segen. Vom modischen Podest aus betrachtet hat der beliebte Haufen allerdings meinen grossen Respekt. Aber Hallo! Die Grandezza, mit der sich Päpste in goldenen Riesensänften durch die Fans transportieren lassen, ist unerreicht. Das bringt nicht mal der Aga Khan. Nach dem doch eher spartanisch gewandeten polnischen Pontifex steht in Benedikt XVI endlich wieder ein Kirchenoberhaupt vor uns, dessen Kleiderschränke prall gefüllt sind mit bischöflichem Fummel. Allein über Benedikts Wiedererweckung des Camauro, jenes blutroten, hermlingesäumten Tantenhütchens, das er für öffentliche Winteraudienzen aus der päpstlichen Kleiderkiste gezogen hat, verdient er uneingeschränkten Modisten-Applaus. Pradaschühchen und Guccibrillen, der alte Herr hat es daheim im stillen Kämmerchen sicher faustdick auf den Kleiderbügeln.
Was mir weniger gefällt, ist die offizielle Homophobie des doch ganz und gar am rosa Ufer tänzelnden Vereins. Von Jesus, dem Vorpapst und Spross einer Patchworkfamilie sind mir jedenfalls keine schwulenfeindlichen oder heterophilen Dogmata in Erinnerung. Gut, der hatte auch mit einem schlichten Leinenhemd sein modisches Auslangen gefunden und ging zu seinen Anhängern noch zu Fuß.

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