Liebe Frau Andrea,
den Qualitätsmedien entnehme ich, dass sich der Tiergarten Schönbrunn über einen Neuzugang freut, ein Gürteltier hat am 9. Juli das Licht der Welt erblickt. Nun erinnere ich mich aber, dass in Wien das Wort „Gürteltier“ für alles mögliche verwendet wird, etwa für die goldketterlbehangenen Kraftlackeln, deren Angestellte („Asphaltschwalben“?) und manchmal die Kunden der letzteren. Literaten haben sich selbst auch schon als Gürteltier bezeichnet. Wissen Sie vielleicht, welche großen und kleinen Tiere noch am oder um den Gürtel herum leben? Mit lieben Grüßen,
Siegi Lindenmayr (vom Alsergrund, der ja auch ein Gürtelanrainerbezirk ist)
Lieber Siegi,
die B 221, Wiens dritter und grösster Boulevard, um die Jahrhundertwende an Stelle der äusseren Verteidigungslinie der Stadt angelegt, ist tatsächlich das Reservat hoher und weniger hoher Tiere. Neben den goldbehangenen Gürteltieren mit ihren springenden Fischen, wie sie die Feitln nennen, die ihnen bei Ärger im Sack aufgehen, kennen wir noch die Randsteinschwalben, junge Damen in hüfthohen Stiefeln, die langsam fahrenden Parkspursalamandern den Weg in ihr Nest und Blindschleichen den Weider zeigen. Nach dem Rechten sieht am Gürtel der Pflasterhirsch, der Polizist im Fußstreifendienst. Selten aber gerne geschossen wird der Goldfasan, wie der E1, der leitenden Beamte wegen seiner güldenen Distinktionen genannt wird. Wenn der Morgen graut, rollen die Murmeltiere aus den Gürtellokalen und pfeifen nach den Taxis. www.comandantina.com dusl@falter.at
Erschienen in meiner Kolumne ‚Fragen Sie Frau Andrea‘ in Falter 31/2007
Aber paßt zu dieser wunderbar launigen Halbweltsfauna denn wirklich auch das Google-Inserat, das mich in diesem Zusammenhang zum Besuch von Tantra-Seminaren und Workshops (Holotropes Atmen), äh, animieren möchte?