Ich bin in einer seltsamen Zeit aufgewachsen. Es gab keine Handys, es gab kein Internet und die Computer waren so groß wie Bungalows. Musik wurde von Leuten gemacht, mit Frisuren so gross wie Kleinplaneten. Und Sohlen von der Höhe einer Hochzeitstorte. Es war eine coole Zeit. Und sie dauerte ewig. Denn es war eine langsame Zeit. Das schnellste, was es zu dieser Zeit gab, war die Saturn V. Die Rakete, mit der man Menschen zum Mond brachte. Gut der Mond war weit weg, und wenn sie mal im All war, flog Brauns Rakete auch ganz schön hurtig. Aber hier unten? Minuten dauert es, bis sich der Riesenspargel gegen die Schwerkraft gestemmt und ein paar Etagen an Höhe gewonnen hatte.
Eine coole Zeit. Ich mochte sie. Eine Zeit der gesunden Langsamkeit. Sie hatte nur eine Sehnsucht. Die Sehnsucht nach Geschwindigkeit. Schneller wo anders sein, schneller fertig sein, schneller schnell sein. Schnellsein war irgendwann cool geworden. Cooler als die Mucke der Frauen und Männer mit den Lockenkugeln. Mehr Freizeit wurde versprochen, mehr Individualität, mehr Fortschritt, mehr Freiheit. Und eingelöst wurden diese Versprechen mit einer prosperierenden Währung: Geschwindigkeit. Ein perfider Plan der Industrie. Denn ausser Geschwindigkeit ist alles andere dem Sparstift zum Opfer gefallen. Speed hat den Planeten befallen. Alles geht zu schnell. An der Supermarktkasse, beim Bankomat, an der Ampel, im Bus. Wo auch immer wir sind – ständig haben wir das Schuldgefühl, zu langsam zu sein. Wir sind eingespannt ins Joch der neoliberalen Eilslehre: Hasten statt Rasten. Rennen statt Pennen.
Seit die Globalisierer den Kaputspruch “Time is Money“ in die Matrizen unseres Daseins gestanzt haben, befinden wir uns in der Geschwindigkeitsspirale. Dem Hagelsturm des Hastens entkommen wir nur mit einem allerletzten Sprung in die Nebel der Langsamkeit. Wie das geht? Ganz einfach. Statt auf Tempo 45 abzuhotten und alle drei Minuten die Scheibe zu wechseln, müssen wir Lernen, unser Leben auf 33 downzugraden. Ein Leben in Longplay und Konzeptalbum sozusagen. Chill as chill can. Die Entschleunigung des Selbsts beginnen wir an der Supermarktkasse: Zählen wir zwischen den verschiedenen Produkten, die wir auf das Förderband legen, laut und langsam bis Sieben. Antworten wir auf hektische Vorwürfe der Kunden hinter uns, der Kassierin, des Filialleiters, des Konzernspeedbeauftragten, der Weltpolizei, das ginge auch schneller, auf Lateinisch oder Sanskrit. Und legen wir uns Musik von Leuten mit Kleinplantenfrisur zu.
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Für planet° – Zeitung für politische Ökologie der Grünen Bildungswerkstatt Österreich.