Liebe Comandantina!
Zu Ihrer letztwöchigen Antwort an Kurt Vallaster habe ich eine Zusatzfrage: Eine Platte des sehr verehrten Nick Cave und seiner bösen Samen heißt „Kicking against the Pricks“. Laut dem CD-Büchlein ist der Titel aus Acts 26:14 (Apostelgeschichte 26, 14). Gibt’s auch zu dieser nicht jugendfreien Redewendung eine Erklärung?
Servus, Martin
Lieber Martin,
letzte Woche erörterten wir die deutsche Version dieser Bibelstelle und einigten uns darauf, wider den Stachel zu löcken bedeute aufzubegehren, (vergeblichen) Widerstand zu leisten. Tatsächlich bemüht der Vers aus Lukas’ Apostelgeschichte ein Bild aus der Landwirtschaft, in dem der Ochse sinnlos gegen den eisernen Stachel des Pflügers ausschlägt (löckt). Die englische Übersetzung dieser Stelle liest sich durchaus unanständig “to kick against the pricks“. Prick ist das englische Wort für das, was deutsche Zungen mit einem Prügel bezeichnen würden, die beiden Worte sind auch eng miteinander verwandt. Das rural/malediktische Doppelbild, jemand gegen den Prügel zu treten, mag die Übersetzer der King James Bibel bewegt haben, von zweien solcher Prügel zu sprechen. In jedem Fall ist es Jesu Stimme, hebräisch sprechend, die Saul (dem späteren Apostel Paul) erschien, und ihm anriet, nicht gegen seinen Prügel zu treten. Für das Wort “prick” biete ich die jugendfreie Version “goad” an. Wenn Ihnen nun prick zu biblisch und goad zu mundan sein sollte, greifen sie doch zu saftigen Alternativen wie: jerk, fucktard, dickweed, assrat bastard oder boner-biting fuckface. www.comandantina.com dusl@falter.at
Für meine Kolumne ‚Fragen Sie Frau Andrea‘ in Falter 9/2007
Bild (Doppelklick für 500px-Version): Pflügen mit Ochsen. Miniatur aus einem Manuskript aus dem frühen 16. Jahrhundert. Der Pflüger rechts hält einen „Stachel“, englisch „prick“ oder „goad“.
Liebe Frau Dusl!
Seit Jahen lese ich mit Interesse Ihre Komumne im Falter.Vieles habe ich schon gelernt. Manches hat mich amüsiert – vor allem, wie Sie die Dinge erzählen. Diesmal ist Ihnen allerdings ein winzig kleiner Fehler unterlaufen: Jesus hat nicht Hebräisch gesprochen (so wenig, wie heutzutage jemand Latein spricht). Jesus sprach Aramäisch. Da der besagt Satz jedoch in der Apostelgeschichte des Lukas steht, der im O-Ton griechisch geschrieben hat, wird er auch im Original griechisch erzählt worden sein. Denn Paulus und Lukas haben beide griechisch gesprochen.
Mit freundlichen Grüßen in der Erwartung der Nächsten Ausgabe des Falter
Ihre
Christine Hubka
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Dr. Christine Hubka, evang. Pfarrerin
Liebe Christine Hubka,
ungern widerspreche ich Ihnen, wo Sie mich so gerne lesen und mich das sehr freut 🙂
In welchen Sprachen Lukas, Paul und Jesus tatsächlich parlierten, so wir sie als historische Figuren begreifen wollen, weiss ich nicht zu beantworten. Ein Reimeschmied wie Yeshua (Jesus) dürfte ausser seiner Muttersprache Aramäisch auch noch Griechisch, Lateinisch und Hebräisch beherrscht haben, immerhin wären das die Sprachen, die im damaligen Israel gesprochen wurden. Griechisch und Lateinisch waren die Verkehrssprachen des Altertums, lateinisch immerhin die Sprache der Besatzungsmacht.
Nun bezog ich mich in meinem Text:
„…In jedem Fall ist es Jesu Stimme, hebräisch sprechend, die Saul (dem späteren Apostel Paul) erschien, und ihm anriet, nicht gegen seinen Prügel zu treten.“
nur auf den Bibeltext selbst. Dort zitiert Apostelgeschichtenautor Lukas den Apostel Paulus insoferne, als dieser – noch als Saulus unterwegs – Jesu Stimme in „hebräisch“ gehört haben will. Daraus folgt, dass sich entweder Lukas irrt, oder aber Saulus (Paulus) und Jesus beide Hebräisch sprachen. (Oder aber der entkörperte Jesus in Paulus das Verständnis dieser Sprache hervorzubringen vermochte). Zumindest impliziert das die Bibelstelle, die in dieser Frage ganz eindeutig ist. (Ich selber glaube aus vielen Gründen weder an die Apostelgeschichte, noch an Paulus und schon gar nicht an Gott.)
Dass es einen gewissen Yeshua gegeben hat, glaube ich hingeben durchaus. Yeshua hätte mit Nachnamen eigentlich „Panthera“ heissen müssen, so soll jedenfalls der Nachname seines leiblichen Vaters, eines römischen Soldaten gelautet haben.
Da dies aber Glaubensinhalte sind, über die wir beide nicht streiten wollen, beziehen ich mich auf die Bibelstellen selbst. Neben vielen Übersetzungen habe ich diese drei konsultiert, es ist die Stelle mit dem „löcken wider den Stachel“.
Vulgata (Anmerkung fürs Bureau; der lateinische Bibeltext, der seit der Spätantike die bis dahin gebräuchlichen, in Umfang und Qualität verschiedenen, älteren lateinischen Übersetzungen der Bibel (Vetus Latina) abgelöst hat.) Zitat Vulgata, Actus Apostolorum 26,14: omnesque nos cum decidissemus in terram audivi vocem loquentem mihi hebraica lingua Saule Saule quid me persequeris durum est tibi contra stimulum calcitrare
Martin Luther, 1545: Apostelgeschichte 26, 14 übersetzt dies so: Da wir aber alle zur Erde niederfielen, hörte ich eine Stimme reden zu mir, die sprach auf hebräisch: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Es wird dir schwer sein, wider den Stachel zu lecken.
Im Englischen (King Charles Version) lautet die Stelle: ACTS 26:14 And when we were all fallen to the earth, I heard a voice speaking unto me, and saying in the Hebrew tongue, Saul, Saul, why persecutest thou me? it is hard for thee to kick against the pricks.
Nun wird zwar Jesus in dieser Stelle nicht explizit erwähnt, aus dem Zusammenhang ergibt sich aber, dass es Jesu Stimme ist, die Saul hier „abmahnt“.
Zu aller Verwirrung gibt eine frühere Bibelstelle, in Apostelgeschichte 9,4 und 5, in der Jesse mit Sha’ul redet, und unser Zitat fällt, OHNE dass aber erwähnt wird, in welcher Sprache (das berühmte Damaskuserlebnis).
Die Stelle lautet in der Vulgata: Actus Apostolorum 9: [4] et cadens in terram audivit vocem dicentem sibi Saule Saule quid me persequeris [5] qui dixit quis es Domine et ille ego sum Iesus quem tu persequeris
In King James‘ Version Acts 9 wird das seltsamerweise etwas ausgeschmückt (vor allem die „Prick“-Stelle dazugeschwindelt): [4] And he fell to the earth, and heard a voice saying unto him, Saul, Saul, why persecutest thou me? [5] And he said, Who art thou, Lord? And the Lord said, I am Jesus whom thou persecutest: it is hard for thee to kick against the pricks.
Luther hält sich an dieser Stelle strenger an die Vulgata: Apostelgeschichte 9 [4] und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? [5] Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst.
Was Paulus betrifft: Sein ursprünglicher Name Saul ist Hebräisch ( שאול Šā’ûl oder Sha’ul der Erbetete) Der Name hat durchaus alttestamentarische Dimensionen. Saul hiess der mythische erste König Israels, er regierte ungefähr zwischen 1012 v. Chr. und 1004 v. Chr. Das Buch Samuel identifiziert König Saul als Mitglied des Stammes Benjamin, nach heutiger jüdischer Zuordnung wäre er damit Aschkenasi. Sein Wesen war von Hysterie und Depression gekennzeichnet.
Mit lieben, solidarischen Grüssen,
Andrea Maria Dusl
Liebe Frau Dusl!
Herzlichen Dank für Ihre ausführlich Antwort. Da es sich um eine Vision gehandelt hat, ist das halt so eine Sache mit der Historizität. Meine Bemerkung stand eben auf dem Hintergrund, den Sie selber genannt haben: Der historische Jesus hat sicher nicht die tote Spache hebräisch sondern das damals übliche Aramäisch (und wohl auch griechisch) gesprochen. So sind wir uns also einig – in Ihrem Text schien es mir aber missverständlich zu sein.
Noch eine kleine Bemerkung zur Vaterschaft, die Sie angesprochen haben:
Die Bibel spricht ganz unverblümt davon, dass Josef der Vater ist. Der von Ihnen genannte Panthera ist eine erfindung der Naziideologie, die auf diesem Weg versucht haben, aus ihm einen Arier zu machen. Die Tradition hat später die Vaterschaft des Josef mit allen Mitteln versucht wegzuschieben. Aber die biblischen Quellen lassen keinen anderen Schluss zu. Da ja selbst die Abstammung aus dem Haus des Königs David, die eine so bedeutende Rolle in den Evangelien spielt, ausschließlich über den Stammbaum des Josef argumentiert wird.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre vergnügte Gesprächspartnerin
Christine Hubka
Liebe Frau Hubka,
ja die Visonen! Und die Intentionen der Autoren. Und dann erst die Redigate! Und die vielen Übersetzungen. Und alles, weil Bronner nicht wusste, woher das Löcken wider den Stachel kommt. Dass sich Glaubeninhalte nicht verhandeln lassen, ist mir bewusst.
Keider habe ich die Vetus-Latina-Version der Apostelgeschichte nicht gefunden, da wären wir näher an Lukas dran.
Nun muss ich, wenn auch ungern, mal widersprechen, denn die Geschichte mit Panthera ist keine Nazierfindung sondern wesentlich älter.
Die Panthera/Pandira-Geschichte scheint ursprünglich aus ganz anderer Richtung zu kommen, wie dieser link bei James Tabor berichtet. (Von der Naziadaption wusste ich bislang nichts) :
http://jesusdynasty.com/blog/2006/07/13/the-jesus-son-of-panthera-traditions/
(…) The earliest textual evidence comes from three sources:
1) We have two stories preserved in supplements to the Mishnah called the Tosefta (as well as in other parallel rabbinic texts but primarily see Tosefta Chullin 2:22-24) that refer to “Yeshu ben Pantera” (with alternate spelling variations). The first involves the famous Rabbi Eliezer ben Hyrcanus who lived in the late 1st and early 2nd century AD. Rabbi Eliezer relates a teaching in the “name of Yeshu ben Pantera” that he heard on the streets of Sepphoris from one Jacob of Kefar Sikhnin. Eliezer himself had been arrested for “heresy” and some have suspected he might have been sympathetic to the Nazarenes. The second story also involves Jacob of Kefar Sikhnin who attempts to heal a certain Rabbi Eleazar ben Dama of a snakebite in the name of “Yeshu ben Pantera,”
Although Maier and a few others have doubted these references are to Jesus of Nazareth, most experts are convinced that they are. Since both of these texts appears to use the designation “Yeshu ben Pantera” in a descriptive rather than a slanderous or polemical way they offer us evidence that Jesus was remembered as “son of Panthera” in the region of Galilee, and even on the streets of Sepphoris, in the early 2nd century. Indeed, Richard Bauckham argues quite persuasively that this Jacob of Kefar Sikhnin might well be James, son (or grandson?) of Jude the brother of Jesus, otherwise known to us as a prominent leader in the Galilean churches (Jude and the Relatives of Jesus, pp. 114-119).
2. The Greek philosopher Celsus relates in polemical work against the Christians preserved by the Christian theologian Origen that he had found it “written” that Jesus was the son of a Roman soldier named Pantera (Contra Celsum 1. 69). This text dates to the late 2nd century. Origen replies that the story was concocted by those who refused to believe that Jesus had no human father and was conceived by the Holy Spirit.
3. The 4th century Christian apologist Epiphanius seems to take the designation “Jesus son of Panthera” seriously in that he argues the name is actually a nickname for Jacob, the father of Joseph, husband of Mary. So rather than denying it is part of the family tradition he tries to explain it within that context. (…)
Das mit dem davidischen Stammbaum in den Evangelien spricht natürlich dagegen und für eine Abstammung von Joseph.
Mit ebenso vergnüglichen wie freundlichen Grüssen,
Andrea Maria Dusl