Mein Hippie-Bäcker

Der Hugo-Wiener-Platz, gegenüber von meinem französischen Atelierfenster herbirgt nun schon einige Monate keine polnische Pizzeria mehr. Das Lokal ist waise und west vor sich hin. In der gut beleuchteten Telefonzelle vor dem Friseur hat das Werbebild von Heinz Conrads Strache einem von Franz Klammer Platz gemacht. Wofür Franz Klammer wirbt, sieht man von hier oben nicht. Schlecht gelaufen, würde der Werbeprofi sagen. Message versemmelt. Anwohner missen die Message. Und bloggen es bis Zeitland.

Semmeln selbst gibts dafür auch nächtens am Hugo-Wiener-Platz, gegenüber von meinem französischen Atelierfenster.

Mein Bäcker. Er trägt ein weisses, mehlstaubiges Unterhemd und eine mehlstaubige kurze Hose, die den Ausdruck Hot Pant nicht verachten würde. Mein Bäcker. Seine LSD-farbigen, nicht minder mehlstaubigen Haare werden von einem mehlstaubigen Zopf und einem mehlstaubigen Stirnband gebändigt. Mein Bäcker spricht breites Wienerisch und seine Nase hat den eleganten breiten Höcker, den auch Mundls Sohn Karli mit proletarischem Stolz trug.

Mag es zwölf sein oder drei, sieben oder elf, stets dampft und duftet, staubt und semmelt es in der Bäckerei. Durchs offene Bäckerfenster gibt es Milch und Salzstangerl, Marmelade und Eckerlkäse. Eine kleine Oase der Unversperrtheit, die mehlstaubige Bäckerei schräg gegenüber von meinem französischen Atelierfenster. Nur Nachmittags hat er zu, mein Bäcker. Wenn er schläft. Dann träumt er von San Francisco und Monterey, von Iron Butterfly und Canned Heat, von Grateful Dead, Steppenwolf und Zappa und den Mothers. Mehlgestaubt natürlich.

Für das Ösi-Blog in der ZEIT.

6 Gedanken zu „Mein Hippie-Bäcker“

  1. Handkuss Frau Dusl,
    Die Vignette auf den Bäcker, aus dem Fenster das eine Tür ist, regt mächtig die Fantasie an. – Bei mir ums Eck, gibt es nur noch den Maschinenweck.
    Aus der Erinnerung stieg auf, dass einst Erwin Keusch, nicht “Leusch”, schade, einen wunderbar einfachen, humorvollen und trotzdem wahren Film zu diesem Gewerk schuf. “Das Brot des Bäckers”, mit Günter Lamprecht als Meister und dem großartigen, jugendlichen Bernd Tauber als Lehrling. Auch sonst, nur gut spielende und geschickt geführte Schauspieler. Der Film war so beeindruckend, ich roch nach dem Kino Sauerteig und Hefeteig in der Straße und klopfte mich unwillkürlich ab, um nicht bemehlt nach hause zu gehen. Um diesen Beatnik-Bäcker, rund um die Uhr, beneide ich Sie wahnsinnig.
    Grüße
    C.Leusch

  2. Bitte was sind “LSD-farbigen Haare”? Welche Farbe hat LSD? Welche Farbe hat C6H12O6? Muss ich das schlucken, um die Farben im Bäckerhaar zu sehen?

  3. LSD, Lysergsäurediethylamid – C20H25N3O ist rosa mit grünen Spiralen und gelben Tupfen. Dazu wabern amethystfarbene Blitze und grellazure Orangenwolken. Aus den giftfroschgrünen Spiralen können auch singende Türkise wachsen. C6H12O6 (Glukose) ist ein weisses Pulver. Um die Farben im Bäckerhaar zu sehen, genügt ein Semmerl und ein Quentchen Übernächtigkeit.

  4. Sehr geehrter Herr Seidl, sehr geehrte Frau Dusl,
    Ich hatte das mit dem LSD-Haar mehr als verdeckten
    musikalischen Hinweis verstanden; “Lucy in the Sky with diamonds”. Sicher ist, Orange und sonstig kaleidoskopisch Farbräuschiges entwickelt sich häufig unter LSD-Einwirkung, aber auch bei längerer Übernächtigung und am Morgen danach mit dem nüchternen rund -um- die- Uhr Hippie im Blick.
    Christoph Leusch | 25.02.2007 17:31

  5. Nun gut, ich werde besagten Bäck besuchen und sein Haupthaar in Augeschein nehmen. Erwarte mir schillernde Sensationen, gegen die selbst eine Medusa abstinkt. Etwa von der Art des LSD-Fischs. Den gibts ja angeblich im Flakturm-Fischknast zu sehen..
    Alexander Seidl | 26.02.2007 10:39

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