Liebe Frau Andrea,
der Aufzug des Hauses, in dem ich wohne, stammt aus dem Jahr 1908. Darin findet sich ein altes Schild, das sowohl den Hersteller nennt als auch dessen Telefonnummer. Sie lautet: „B 22 4 25“. Wie darf ich dieses vorangestellte „B“ verstehen? Und wann verschwanden die Buchstaben wieder aus den Wiener Telefonnummern? Vielen Dank im Voraus!
Carsten Fastner, Neubau
Lieber Carsten,
öffentliches Fernsprechen in der Zeit vor der Einführung europäischer Lebensstandards war hierzulande untrennbar mit Telefonschilling, Zahlknopf und der nach Pisse stinkenden Telefonzelle verbunden. In Wien ein eigenes Telefon zu bekommen, war einer Lotterie nicht unähnlich und selbst mit Bakschisch reichte es selten zu mehr als einem Vierteltelefon (ein Anschluss, den wir uns mit drei Wildfremden teilten). Heimische Bakelitapparate waren schwer und schwarz wie die Bundeskanzler dieser Zeit. 1927 wurde das fünfstellige Nummernsystem auf eines mit vorangestelltem Buchstaben ersetzt. Internationale Telefone dieser Zeit hatten Wählscheiben, auf denen, wie heute noch auf Handys üblich, den Ziffern von 1 bis 0 Buchstabentripletts zugeordnet wurden. Telefonnummern waren leicht merkbare Kombinationen aus kurzen Wörtern und Ziffern. Nicht so in Wien, wo man die selten geniale Idee hatte, den 10 Zifffern die Buchstabenfolge IFABRUMLYZ (verkehrt gelesen: ZYLMURBAFI) zuzuweisen. Das B in der Nummer ihres Aufzugs war also die Ziffer 4. ZYLMURBAFI war bis in die frühen 60er in Verwendung. www.comandantina.com dusl@falter.at
Für meine Kolumne ‚Fragen Sie Frau Andrea‘ in Falter 30/2006
Liebe Comandantina,
manchmal helfen mir alte Kalender. In meinen 1956er Buchklub-der-Jugend-Kalender habe ich den Polizeinotruf noch unter A-0-22 eingetragen. Im 1960er Kalender inserierte jemand mit alter (R-11-1-82) und neuer (52 22 93) Telefonnummer. Was meine Erinnerung bestätigt, dass in der Zeit der Buchstaben-Ziffern-Nummern noch etwas anders war als heute: Die Ziffern fingen mit 0 an, nicht mit 1.
Bei der Umstellung auf Nur-Ziffern-Nummern wurde das auf den heutigen Standard geändert. Die beiden von mir oben zitierten Telefonnummern sind also der genau gleiche Anschluss. Die Polizei hat bei der Umstellung das Äquivalent für A, den heutigen Dreier (vorher Zweier), weggelassen, der Rest ist der gleiche: Aus 022 wird 133 (der heutige Notruf), wenn man die Null nicht als erste, sondern als letzte Ziffer auf Wählscheibe und später Tastatur einsetzt, sonst aber nichts ändert.
In meinem 61er Kalender habe ich dann keine einzige Nummer alten Typs mehr notiert, also muss die Umstellung in Wien 1959 / 1960 erfolgt sein. 1964, ich war damals 18, konnte ich meine Eltern endlich dazu überreden, ein Vierteltelefon anzumelden. Sie stimmten zu, weil ich die halbe Grundgebühr von meinem Taschengeld zahlte … Mein Vater war nämlich der Meinung, für die paar Telefonate, die er mache, sei die Telefonzelle viel billiger. Anrufen konnte man uns eh – bei der Nachbarin.
Mit besten Grüßen,
Wolfgang J. Kraus,
Wien