Die Fussball-Weltmeisterschaft hat mich voll im Griff. Kein Spiel versäumt, das Panini-Album vollgeklebt – komplett bis ins letzte saudiarabische Fenster. Nicht mal Lehmann fehlt. Lehmann, der deutsche Goalie, der erst nach Drucklegung des Panini-Albums nominiert wurde und für dessen Bildchen ein Sonderdruck aus den Panini-Klebepressen gezogen werden musste!
Mein Engagement für die Religion auf dem Rasen hat weniger fussballmagische als dienstliche Gründe. Ich muss das Tor der Woche nacherzählen. Eine gefährliche Sache, denn mein ballestrisches Wissen hat sich seit 1974, der ersten WM an die ich mich erinnere, nur unwesentlich verbessert. Ich verstehe gerademal die Enstehung von Eckbällen und dass Strafraumfouls und Elfer eine geheimnisvolle Beziehung miteinander haben. Schon die einfachsten Abseitse verstehe ich nicht.
Ganz und gar Analphabetin bin beim Entziffern taktischer Feinheiten, der Inszenierung von Räumen und anderem fussballchemischen Zinnober. Auch ein Spiel kann ich etwa so gut lesen, wie Wayne Rooney den Klappentext eines Supermanheftes. Aber ich verstehe was von Eleganz und guten Farben. Vom Brasilianer Kaka zum Beispiel. Von dem verstehe ich was. Bilderbuchhaft sein Oszillieren zwischen prinzenhaften Bubencharme und virilem Parsifalismus. Auch El Niño, das Kind, wie Spanien seine stürmende Unfallfrisur Fernando Torres nennt: Aus dem Olymp ausgebüchst, keine Frage!
Abgesehen von den schöneren Gesichtern hat die lateinische Fussballwelt auch das bessere Auge für Farben. Das Lapislazuli der brasilanischen Hosen! Auch für Atheistinnen ein Gottesbeweis. Herrlich dazu das bananenblattgrüngesäumte Kanarigelb der Hemden von Ronaldinhos Pillendrehern. Traurig, wenn Brazil mal in Auswärtsdressen antreten muss, in weissen Flak und dottergelben T-Shirts. Traurig. Von den Europäern haben gerademal die azurblauen Italiener und die Oranjes begriffen, das Farbe emotionelle Gewalt ausüben kann. Schiedsrichter hingegen mögen gefälligst wieder zum inquisitorischen Uniformschwarz früherer Zeiten finden, sonst setzt es Gelb-rot!
Für die Kopfball-Kolumne in Falter 26/2006;
detto die Kopfballautodusilation.