Liebe Frau Andrea,
das Jahr des Mozart-Hypes feiert sich selbst – mit unzähligen Veranstaltungen, die unter anderem auch mit Wildplakaten beworben werden. Die nahezu unbegrenzte Verfügbarkeit dieser Plakate – ein wahrliches „urassen“ – ließ mich kreativ werden: ich forme daraus Mozartplakat-Würste und ein Mozartplakathaut-Tipi. Ich verwende den Ausdruck „Urassen“ im Sinne von „genug haben davon“ bzw. „verschwenderisch umgehen mit etwas“. Liege ich völlig falsch? Bitte um Aufklärung über den Begriff „Urassen“.
Vielen Dank vorab,
Rudi, urbaner Volxkünstler
Lieber Rudi,
unser feuriger Begriff kommt trotz seiner tschechischen Anmutung – urazi heisst in Böhmen und Mähren “verletzt”, “beleidigt” – direkt aus dem althochdeutschen Mittelalter. Urazi ist in der Sprache unserer etymologischen Urschtrumpftanten das “Vielfressen”. Der Ausdruck entspricht unserem heutigen „überessen“. Die Silbe “ur” ist unser heutiges “über”, wir kennen sie aus Urfahr (die Überfahrt) an der Donau. Das Verb “azzen” bezeichnete im althochdeutschen das Füttern und Speisen. Jagdvögel werden in Ermangelung modernerer Vokabel heute noch geatzt (geäst). Ob die mozartjährliche Überplakatierung ein Urassen ist, bleibt Ihrem sprachlichen Feingefühl überlassen. Die Idee, die unerträglichen Wolferlposter zu schreddern und den Plakatbrät in Amdeussalamis zu verwursten, heisse ich auf jeden Fall schon aus optischen Gründen willkommen.
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Für Falter 17/2006