In der letzten Nacht des Jahres 2005 wird Willi Resetarits das tun, was er am liebsten tut: auf der Bühne stehen und Musik machen mit guten Menschen. ANDREA MARIA DUSL
Für die Konzerthausbeilage von Falter 38a/05
Der Garten des Alt-Wiener Gasthauses Birner schwebt wie ein Ausflugsdampfer über dem Ufer der oberen Alten Donau. Am gegenüberliegenden Ufer wartet das menschenleere Angelibad auf einen letzten Rest dessen, was man einst den Sommer nannte. Willi Resetarits legt sein Handy und die Lesebrille ab. Er sieht erholt aus. Braun gebrannt, als käme er aus dem Urlaub.
„Ganz anders“, sagt der Mann, der einst Dr. Kurt Ostbahn war, „bei uns zu Haus tropft’s von der Decke.“ Bei uns zu Haus ist in Floridsdorf, das Haus seiner Kindheit, das er von seiner Mutter geerbt hat. Das sie damals selber gebaut haben, die Resetarits aus Stinatz. Damals, als elfjährige Bersch schon vollwertige Arbeitskräfte waren. Und am Sonntagnachmittag nicht im Kino oder beim Kicken im Uberschwemmungsgebiet gewesen, sondern hinter der Mischmaschine gestanden sind. Genau dieses Haus baut der Willi jetzt um. Und dort, wo die Solaranlage das Wasser aufheizt, dürfte ein kleines Leck sein, sagt er, ganz klein, aber groß genug, um die ganze Zwischendecke mit Wasser voll laufen zu lassen. Deswegen sei er jetzt sieben Minuten zu spät im Birner.
„Was machst du zu Silvester“, frage ich Willi Resetarits. „Gut, dass du mich fragst! Zu Silvester werde ich nämlich auf der Bühne stehen.“ Das ist die Sache, die er am liebsten täte auf der Welt. Auf der Bühne stehen und Musik machen mit guten Menschen. Mit guten Herzen. Zu Silvester werde er das im Konzerthaus tun. Schon zum zweiten Mal. Erst werden die Wiener Symphoniker spielen. Beethovens Neunte. Mit dem Verhallen des Applauses werde eine gut geölte Umbaumaschinerie Notenpulte, Orchestergestühl, Harfen und Pauken gegen Hammond-Orgeln, Marshall-Verstärker. Drum-Kits und Mikrofonständer tauschen. Hinter der Bühne werden der Willi und seine Musikanten stehen, ein Gläschen Schnaps im Kreis gehen lassen, die Mascherln ihrer Smokings grad und die Rüschen ihrer Abendkleider schiefdrehen und pünktlich um halb elf die Bühne betreten.
In nichts sieht WiIIi Resetarits besser aus als in einem Smoking, das kann ich bezeugen. Zum ersten Mal sah ich ihn darin in den Sofiensälen. in schwüler, lauter Nacht, am Flüchtlingsball. Die
Sofiensäle, wo einst das Iegendäre Benefiz für heimatlos Gewordene stattfand, sind mittlerweile warm abgetragen worden. Die Erinnerung an das Bild Willis in seinem schwarzen Smoking ist heiß geblieben. Willi Resetarits sieht verdammt gut aus in einem schwarzen Smoking. „Es wird ein weißer Smoking sein“, korrigiert er, „damit I mi besser abheb.“
Abheben wird in dieser Nacht nicht nur Willi Resetarits in seinem schwanenweißen Smoking, sondern auch die Musik. Es gebe noch kein genaues Set, erzählt er, aber was er sicher wisse: Es werden alle dabei sein, mit denen er seit der Pensionierung eines gewissen Kurt Ostbahn in wechselnder Besetzung musiziert. Da sei einmal die fünfköpfige Extra-Combo unplugged – wie das zu Kurt Cobains Zeiten noch hieß -, die, abgesehen von Silvester-Extras als ,,Stubenblues“ auftrete. Altsaxofonist Wolfgang Puschnig werde dabei sein, im Duett mit Resetarits und im „gemischten Satz mit Posaune und Trompete. ,,Weil warum? Ein Orchester ohne Bläser is ka richtig’s Orchester.“ Viel gesungen wird trotzdem, betont Resetarits. Die Tschuschen Acappella, ein Ableger von Slavko Ninics Wiener Tschuschenkapelle, wird Volkslieder aus Kroatien, Slowenien, Tschechien und dem ehemaligen Jugoslawien singen.
„Willi Resetarits‘ Silvester Schau – mit einem Programm ganz nach seinem Geschmack und zahlreichen lieben Freunden“, so heißt es auf der Homepage des Wiener Konzerthauses. „Und so ist es“, bestätigt der Entertainer und beißt in den gebackenen Fogosch, den uns Kellner Fabio gebracht hat, was angesichts der Nachbarschaft zum Angelibad ein bisschen Italien an die Alte Donau zaubert. Wie dem auch sei, damit auf der Bühne „alles seine Richtigkeit“ hat, ist auch der Herr Votava wieder dabei. Im grauen Arbeitsmantel, „wia sa si’s g’heat.“ Gerald Votava, mit dem Resetarits zuletzt in der gemeinsamen Talk-und-Sing-Show „Weil warum“ auftrat.
„Vielleicht kommt auch die Trude.“ Willi Resetarits schwärmt: „Trude Mally, die letzte Dudlerin Wiens“. Aber wienerisch wird es auch ohne die hiesige Spielart des alpinen Jodelns werden, dann nämlich, wenn Resetarits H.C.-Artmann-Gedichte vorträgt. Und außerdem fließen vielleicht auch Teile des Programms aus dem geplanten Abend mit Walter Soyka und seiner Knopfharmonika beim Wienerliedfestival „wean hean“ ein.
Ob er den Silvester auf der Bühne verbringen werde, frage ich Resetarits. „So mit Sektglas in der Hand und Papierschlangen um den Hals?“ Schon aus Abneigung gegenüber „staatlich verordneter Fröhlichkeit“ könne er so etwas nicht machen. Das Showprotokoll sehe ohnedies kein Herunterzählen der Sekunden und kein öffentliches Zuprosten beim Pummerinläuten vor. Um zwanzig vor zwölf wolle er sich mit seiner Combo in die Künstlergarderoben zurückziehen, und das Publikum werde sich in verschiedene sekttaugliche Säle verteilen, um privat zu Silvestern. Zwanzig Minuten nach Mitternacht dann werde man wieder gemeinsam die lange Reise der letzten Nacht des Jahres in den ersten Morgen des neuen fortsetzen.
Gänzlich familiär wird es frühmorgens werden. Dann nämlich sollen drei singende Resetarits-Buam auf der Bühne stehen: Willi, Fernsehbruder Peter und Lukas. In dieser seltenen Formation – die drei sind erstmals im Juni beim zehnjährigen Integrationshaus-Jubiläum aufgetreten – werden sie Lieder aus ihrem burgenländischkroatischen Heimatdorf Stinatz singen. Erst a cappella, dann von Wolfgang Puschnig begleitet. Und weil das noch nicht alles sein wird, was das Show-Familien-Unternehmen Resetarits auf eine Silvesterbühne stellen kann, wird Willi – wie schon letztes Jahr – mit seiner Tochter Johanna auf die Bühnenplanke von Ray Charles and Betty Carter steigen und den Duett-Hadern „Baby, It’s Cold Outside“ singen. Und auf Wunsch vom Impresario des Abends, Konzerthaus-Chef Christoph Lieben-Seutter – einem deklarierten Fan des Resetarits-Vater-Tochter-Duos – den nicht minder romantischen Sinatra-Superspätabendbringer „Something Stupid“.
Something stupid, but I’ll love it.