Dieser Text stammt von meiner lieben Freundin und Kollegin Doris Knecht. Den schrieb sie für den Falter, für Ihre dortige Wieder-Kolumnier-Posteriere. Im Laufe des Abends, den wir gemeinsam beim Protsetsongcontest zubrachten, sollte ich Rocko Schamoni küssen. Im Vorübergehen, ohne zu wissen, wer das war.
Doris Knecht: Bitte halts Maul
Erschienen in „Falter“ Nr. 10/05 vom 09.03.2005 Seite: 14:
„Doktor Ostbahn hat einmal gesagt, es sei nie zu spät für eine glückliche Jugend, ein betörender und überaus unzutreffender Satz, wie ich weiß, seit ich Kinder habe. Solange die Kinder eine glückliche Jugend haben, hat Mutter nämlich keine, muss sich also anderer Weisheiten bedienen, etwa dieser: Es ist nie zu früh für einen Gin Tonic. Oder etwas Sekt. Oder sonst Alkohol.
Auf dieser Grundlage verging kürzlich ein Abend im Rabenhof sehr vergnüglich, außerdem war Blumenau da. Bedauerlicherweise habe ich zu später Stunde einen Kulturstadtrat spontan geduzt, der verduzte Kulturstadtrat duzte zurück, und das lässt sich nun vermutlich nicht mehr rückgängig machen, ohne dass alles noch peinlicher wird als eh schon.
Ich rechtfertige erstens mein Fehlverhalten mit übermäßigem Alkoholkonsum, zweitens den Alkoholkonsum damit, dass ich als berufstätige Mutter zweier Kleinkinder sonst nicht viel zu lachen habe. Jetzt mal außer beim Vorlesen des „Grüffelo“-Bilderbuches, aber auch da zeigt mein Frohsinn nach der 94. Lektüre leicht abnehmende Tendenz. Da kommt ein bisschen Alkohol gerade recht. Auch meine schwangere Freundin Lotte, die sich gerade im Stadium hormonbedingter Totalidealisierung von Mutter-Kind-Beziehungen befindet, wird das schneller lernen, als ihr Kind gugu sagen kann.
Ein paar Flaschen „Roter-Oktober“-Bier waren beim Protest-Song-Contest also meine besten Freunde, neben Fräulein Dusl und Herrn Blumenau. Wobei ich während meiner Tätigkeit als Jurorin eher mäßig, anschließend extrem tüchtig trank, was, wie ich befürchte, nicht nur dem Kulturstadtrat auffiel, sondern auch Rocko Schamoni, der sehr dekorativ in einer Ecke lehnte und dem ich, als er mich ansprach, etwas Geschmeicheltes zurücklallte, ich weiß aber nicht mehr, was. Allerdings ging ich trotz augenscheinlichster Besoffenheit nicht so weit wie meine geschätzte Kollegin Andrea Dusl, die zum Schluss der Siegerband den Siegerpreis klaute, und das völlig nüchtern. Zu ihrer Ehrenrettung muss ich aber anführen, dass sie keine Ahnung hatte, dass es sich bei einem unbeaufsichtigten, fast leeren Karton „Roter Oktober“ um den Siegerpokal handelte, und als sie es im Taxi von mir erfuhr, bereute sie sehr, aber zu spät.
Auch ich bereute, nämlich anderntags um halb sieben, und zwar sehr schmerzhaft. Stellen sie sich nur eine völlig verkaterte Mutter zweier total munterer Kleinkinder nach viereinhalb Stunden Schlaf vor, mehr brauchen sie nicht zu wissen. Um halb zwölf trafen wir Sedlacek zum Frühstück in der Kunsthalle, da schaut der mich an und fängt dann an zu singen, jahaaa, es ist niiiiiiiie zu späääät für eine glückliche Juuuugend, und ich sage, sehr schön, Sedlacek, und jetzt halts Maul und bestell Prosecco.