Kaum war ich mit ihnen am Protestsongcontest, habe ich mit meinen Uralt-Buddies Stermann und Grissemann auch schon ein Falter-Interview gemacht. Über Leben und Überleben, über Gefängnis und Tsunami, übers Tingeln mit Fifi Pissecker und den Sugarbabes und über ihr neues Programm „Harte Hasen“.
Dirk Stermann und Christoph Grissemann, kongeniale Radiomoderatoren, Sprechvirtuosen und Bühnen-Alleinunterhalter spielen in der Königsliga der sprachlichen Equilibristik: Der Doppelconferençe. Andrea Maria Dusl traf die beiden am 15.2.2005 in Wiens geheimer Comedy-Ausdenk-Abhänge Rüdigerhof um über ihr neues Kabarettprogramm zu plaudern.
Sie sind deutlich schlanker und voller Energie. „Zum ersten Mal in ihrem Leben“, heisst es im Gründungsmythos zu ihrem neuen Programm, hätten der entwurzelte Deutsche Stermann und der denaturierte Wiener Grissemann „Lust ihr Publikum zu begeistern“. Diese Veränderung sei durch das völlige Weglassen von Drogen möglich geworden. Auf der Bühne werde kein Alkohol mehr getrunken. So könnten die zwei Neo-Buddhisten für stundenlange, konzentrierteste Pointenwucht sorgen.
„Der Hase gilt in China als Symbol für Schlagfertigkeit und Elektrizität. Spannung und Witz also. Der „harte Hase“ ist ein südchinesischer Mythos. Der Legende nach gibt es nur zwei harte Hasen auf der Welt. Wird man von einem der harten Hasen mit der Nasenspitze berührt, geht die Kraft der harten Hasen auf diesen Menschen über. Stermann und Grissemann wurden am 13.1.2005 um 17.39 Uhr asiatischer Zeit in den hängenden Gärten von Nangking mehrere Minuten lang von beiden harten Hasen mit der Nasenspitze berührt…“
Nach „Das Ende zweier Entertainer“, „Die Karawane des Grauens“ und „Willkommen in der Ohrfeigenanstalt“ präsentieren die beiden Trash-Komödianten im Jahr des Hasen ihr viertes Kabarettprogramm „Harte Hasen“.
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Ungekürzte Version eines Interviews für den Falter 08/2005.
Alle Bilder © Andrea Maria Dusl 2005
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Andrea Maria Dusl: Was sind harte Hasen?
Christoph Grissemann: Das kann man sehen, wie man will, einerseits sind es ausgestopfte Hasen, die auch im Bühnenbild eine Rolle spielen, andererseits ist ein Begriff, den wir seit Jahren herumtragen. Wir wollten ja schon eine Radiosendung so nennen: Harte Hasen. Einerseits, weil es eine so schöne doppelte Alliteration ist und weil es zwei Begriffe sind, die überhaupt nichts mit einander zu tun haben, weil der Hase an sich als weiches Tier, als Streicheltier bekannt ist. Davor ein „hart“ zu setzen, fand ich rein sprachlich interessant. Viele assoziieren damit Motoradbräute – was nie unser Gedanke war, was uns eigentlich auch unangenehm ist, weil man so ins Fahrwasser der Alkbottle-Comedy gerät. Was wir natürlich überhaupt nicht wollen.
Dirk Stermann: Ganz viele haben da an was rammiges gedacht, sowas phallisches, hartes, an den Hasen als Phallussymbol, als erigiertes Glied. Das erigierte Glied spielt aber überhaupt keine Rolle dabei. Es geht eher um Schlappschwänzigkeit. Harte Schlappschwänzigkeit.
Andrea Maria Dusl: Seid ihr eher Schlappschwänze? >>>
>>> Christoph Grissemann: Ja.
Dirk Stermann: Toughe Schlappschwänze.
Andrea Maria Dusl: Beim Hasen denke ich an den Hasen, aus dem Märchen „Der Hase und der Swinigel“.
Christoph Grissemann: Wer?
Dirk Stermann: Der Hase und der Igel. Die mit dem Wettrennen.
Andrea Maria Dusl: Da ist der Hase eher der Idiot. Wenn ihr wollt, streichen wir die Frage,
Christoph Grissemann: Nein nein, lass doch drin!
Dirk Stermann: Bitte drinlassen!
Andrea Maria Dusl: Da läuft der Hase wie ein Idiot, während der Swinigel mit seiner Frau gemeinsame Sache macht. Immer dann, wenn der Hase an einer Kehre ankommt, ist er entweder selbst oder seine Doppelgängerin, die Igelin schon da.
Dirk Stermann: Ich glaube, dass der Hase grundsätzlich ein bisschen dumm ist. Dieses Zick-Zack-laufende Herumgehopple! Das aber passt wiederum ganz gut zu unserem Programm. Wir arbeiten so, darum ist der Titel auch ganz sinnvoll.
Christoph Grissemann: Wir arbeiten, im Gegensatz zu anderen Kabarettisten ohne Überthema. Während Andrea Händler die Beziehungskiste zum grossen Thema macht oder Roland Düringer Autos, haben wir ja nie ein Überthema. Bei uns hat ein Satz hat mit dem davor überhaupt nichts mehr zu tun.
Andrea Maria Dusl: Haben eure Shows untereinander Ähnlichkeiten? Wird jemand in Sankt Pölten eine ähnliche Harte-Hasen-Show sehen wie das Publikum in Berlin?
Dirk Stermann: Zu achtzig Prozent werden die Leute überall das Gleiche sehen. Die anderen zwanzig Prozent sind Improvisiertes. Fatalerweise. Das Anstrengende ist ja das improvisieren.
Christoph Grissemann: Extrem anstrengend. Weil man immer in Gefahr läuft, katastrophal zu improvisieren. Unter Schlagfertigungsdruck zu stehen ist neben der Angst, von Terroristen in Angriff genommen zu werden, die grösste Angst, die es für mich gibt. Ich habe genauso grosse Angst vor einem verfehlten Witz, wie davor, getötet zu werden.
Dirk Stermann: Ich war gestern bei Thomas Maurers „Kameramörder“, im Rabenhof und da war der Kralicek auch an der Bar, und der kuckt mich so an, und ich dachte, der kuckt mich an, um mir zu signalisieren, dass man jetzt auch Angst haben muss.
Andrea Maria Dusl: Angst vor Kralicek?
Dirk Stermann: Angst davor, dass Kralickek dann schreibt: „Dümmeres noch nie gesehen auf einer Bühne“. Oder sowas. Dass ich gestern auf dieser Premiere war, das war schlecht.
Christoph Grissemann: Wieso war das schlecht, „Kameramörder“?
Dirk Stermann: Nein, nein, schlecht, weil ich gesehen habe, dass das dort auch eine Premiere war, und das auch noch im gleichen Haus, und da hab ich uns dort gesehen. Echt unangenehm, wenn du denkst, dass Leute extra kommen.
Christoph Grissemann: Du merkst, wir haben keine Sicherheit. Wir sind uns unserer Sache nicht sicher. Aber das waren wir auch nie.
Anmerkung: In einer Interview mit einer oberösterreichischen Zeitung hatte C.G in Zusammenhang mit den Wirren der ersten schwarzblauen Regierungsbildung und dem damals medial dämonisierten FPÖ-Zampano gemeint, um Haider zu stoppen, müsste man ihn erschiessen… …irgendjemand, der nur mehr zwei Monate zu leben hätte… In der Folge wurde Grissemann unterstellt, zu einem Attentat aufzurufen.
Andrea Maria Dusl: Ihr seid beide Überlebende. Grissemann hat Haider überlebt und Stermann den Tsunami. Wobei Grissemanns Haider-Sager nicht ungefährlich war.
Christoph Grissemann:
Obwohl ich das bis heute nicht verstehe, was daran so wahnsinnig gefährlich war, es war ja nie ein Aufruf zum Mord, ich hab ja einfach nur so vor mich hingebrabbelt, wie wahrscheinlich zehntausende andere an den Stammtischen dieser Republik auch. Das hat man dann doch recht glücklich überlebt.
Andrea Maria Dusl: Was hätte passieren können?
Christoph Grissemann: Da hätte schon was passieren können. Wenn es ganz blöd gekommen wäre. Was hat er da mal geschrieben der Anwalt? Also wenn es hart gekommen wäre: Aufforderung zum Mord ist das Gleiche wie Mord in Österreich, ein Strafmass von zehn bis zwanzig Jahren oder so. Da schluckst du, wenn du das vom Anwalt hörst, vom eigenen.
Dirk Stermann: Was aber nett war: Unser Fahrer, der Max, war ja schon oft im Gefängnis, und der hat gesagt: egal in welches Gefängnis Grissemann kommt, egal wohin, er kennt überall Leute, und die helfen dann. Das war schon charmant.
Andrea Maria Dusl: Es wäre allerdings nur Grissemann in Gefängnis gekommen.
Christoph Grissemann: Stimmt. Nur ich.
Andrea Maria Dusl: Wie wärt ihr umgegangen mit so einer Trennung?
Dirk Stermann: Wir haben so ähnliche Situationen schon einmal gehabt. Da hat Grissemannn Zivildienst gemacht, ich habe in Hamburg gearbeitet und wir haben die Radiosendung weitergemacht. So ähnlich wäre das im Gefängnis auch gewesen.
Andrea Maria Dusl: Stermann hat in Sri Lanka die schlimme Welle überlebt.
Dirk Stermann: Wobei ich hab das nicht so erlebt habe, wie die Menschen hier im Fernsehen, und auch nicht wie die Betroffenen. Ich hab gar nichts erlebt, genau genommen war das, wenn ich ehrlich bin, sehr unspektakulär,
Andrea Maria Dusl: Wie? Du warst doch dort.
Dirk Stermann: Ich war dort, aber hab nichts mitbekommen…
Christoph Grissemann: Du bestreitest aber nicht, dass es stattgefunden hat. Ich sage nur: Tsunamilüge!
Dirk Stermann: Ich sage nicht, dass es die Tsunamilüge gibt. Und ich will nicht am Brandenburgertor eine Gegendemo veranstalten.
Christoph Grissemann: Aber um ernsthaft zu reden, wie war das für dich, als fm4-Grasser dann nach zweiwöchigem Urlaub braungebrannt zurückzukommmen?
Andrea Maria Dusl: Unverletzt.
Dirk Stermann: Ich war ja in einem Ort, wo nichts war. Ich habe jetzt, nachdem alle ihr Schicksal kundgetan haben, jeder der da war, und wenn wer prominent war, dann noch mehr, das Gefühl, dass jeder Halbprominente wesentlich mehr gelitten hat als ein Fischer auf Sri Lanka. Du hast du ja alles in den vernewsten und verfellnerten Blättern lesen können. So war das bei mir nicht, ich hab einen total schönen Brief bekommen von einem singhalesischen Fischer, dem wir Geld gegeben haben, und wo der genau aufgelistet hat, was er mit dem Geld gemacht hat. Das war schön zu lesen, irgendwie.
Andrea Maria Dusl: Was hat er gemacht mit dem Geld?
Dirk Stermann: Er hat zwei Fischernetze gekauft mit dem Geld, womit vier Leute leben können. Das Problem ist nur: in Sri Lanka kann man den Fisch nicht verkaufen, weil die abergläubisch sind und glauben, dass die Fische die ganzen Leichen gegessen haben. Ich hab auch wahnsinnig viele so Dinger im Meer treiben gesehen.
Christoph Grissemann: Leichen?
Dirk Stermann: Betten, Kissen, Plastik, Spielzeug, sowas halt.
Christoph Grissemann: Das hat es bei Dir an die Westküste geschwemmt?
Dirk Stermann: Das zog da so am Hotel vorbei. Du sasst da beim Frühstück, und da zog das vorbei, wie am „Laufenden Band“: Das Fragezeichen, der Globus…
Christoph Grissemann: Ist das nicht zynisch?
Dirk Stermann: Aber so war’s.
Andrea Maria Dusl: Was wär da jetzt zynisch? Der Vergleich oder die Situation?
Christoph Grissemann: Na, Cocktail trinkend am Strand zu sitzen und Schränke, Fragezeichen und Perrücken vorbei schwimmen zu sehen, und das mit einer Am-Laufenden-Band-Situation zu vergleichen, das sehe ich höchst zynisch.
Dirk Stermann: Aber es war exakt so, weil das Fenster exakt den Ausschnitt eines Fernsehers hatte.
Andrea Maria Dusl: Rudi Carrell, weil wir gerade davon sprechen, soll ja privat auch eine zynisch Person sein,
Dirk Stermann: Heisst es, ja.
Christoph Grissemann: Ein Sexist.
Andrea Maria Dusl: Ihr seid aber privat eher Zucker, ihr seid vom grossen Showbusiness noch nicht ganz verderbt.
Dirk Stermann: Weil wir aber auch nicht so erfolgreich wie Rudi Carrell sind. Ich glaube, du musst, um ein totales Arschloch zu werden, so richtig erfolgreich gewesen sein. Dann ist die Gefahr, glaub ich, gross. Solange du mit der U-Bahn zu fm4 fahrst, kannst du dir nicht einreden, dass du ein Weltstar bist.
Andrea Maria Dusl: Ist das eine gute Erdung? wie oft macht ihr das einmal in der Woche oder zweimal?
Christoph Grissemann: Bei fm4? Einmal in der Woche. Wobei wir auch noch eine andere Sendung haben, am Sonntag, die wir auch sporadisch moderieren, „Das Doppelzimmer“.
Andrea Maria Dusl: Und eure Berliner Sendung? Da fliegt ihr, nehm ich mal an.
Christoph Grissemann: Da fliegen wir hin, einmal im Monat, da machen wir eine live und zeichnen drei auf.
Andrea Maria Dusl: Einmal im Monat fliegen also. In der Achtuhrmaschinen mit den ganzen Bussiness-Karlis.
Dirk Stermann: 8 Uhr 40, um genau zu sein. Wien-Berlin sind immer eher so Kulturtypen.
Andrea Maria Dusl: Stimmt, wir sind auch schon mal geflogen gemeinsam.
Christoph Grissemann: Wir drei und Gustav Peichl.
Dirk Stermann: Wenn Kulturleute an Bord sind, überlegen wir uns jedesmal, wenn abgestürzt wird, ob, wir dann auch in der Zeitung stehen.
Christoph Grissemann: Oder im Teletext, und dann steht: Maschine abgestürzt, Rudi Klausnitzer tot, vielleicht dabei: auch zwei ORF-Mitarbeiter. Wahrscheinlich wird man namentlich gar nicht genannt.
Dirk Stermann: wahrscheinlich ist man „u.a.“.
Andrea Maria Dusl: Wer wäre den schon auf dieser Liste gewesen?
Christoph Grissemann: Rainhard Fendrich, Markus Spiegel, immer wieder,
Dirk Stermann: Das Demütigendste, was ich mir ausgemalt habe, wäre: Abgestürzt sind: Gustav Peichl und Christoph Grissemann. Das wäre das Allerdemütigendste. Wenn ich nicht einmal erwähnt würde. Und noch 198 andere Passagiere.
Christoph Grissemann: Und bei mir auch nicht der Name ausgesprochen, sondern „der Sohn des ehehemaligen Hörfunkintendanten Ernst Grissemann“. (lachen)…. Wir sind also immer sehr erleichtert, wenn wir die Prominentesten im Flugzeug sind.
Andrea Maria Dusl: Gibt es für euch sowas wie ein Zuhause-Gefühl in dieser Maschine?
Dirk Stermann: Eigentlich schon. Es sind ja auch immer so kleine Maschinen. Da fühlst du dich ja immer sehr wohl.
Andrea Maria Dusl: Was habt ihr da so mit an Gepäck?
Dirk Stermann: Nichts.
Christoph Grissemann: Eine ganz kleine Reisetasche.
Andrea Maria Dusl: Übernachtet ihr?
Dirk Stermann: Immer im Hotel Henriette. „Living Henriette“ heisst das.
Christoph Grissemann: Fischerinsel. Die mögen uns sehr gerne, die verabschieden sich immer schon und sagen „Alles Gute für die Show“. Die
haben schon rausgekriegt, was wir machen. „Alles Gute für die Show!“
Dirk Stermann: Wir sind da sehr froh, weil wir früher in einem anderen Hotel waren, im Hotel Taunus,
Andrea Maria Dusl: Wie der Berg oder wie der Wagen?
Dirk Stermann: Nach dem Berg, glaub ich, benannt. Das war ein ganz unheimliches Hotel, ein altes Stundenhotel, wo ein ganz kleiner Dicker Hoteldirektor war. Der hat dann so unheimliche Sachen zu einem gesagt.
Christoph Grissemann: „Darf ich mal ihre Tasche anfasssen“. Im Lift.
Dirk Stermann: Nee: „Ich habe ihre Tasche angefasst, als sie nicht da waren…“
Christoph Grissemann: Und dann so diabolisch gelacht dazu.
Dirk Stermann: Das war sehr unheimlich.
Andrea Maria Dusl: Was wollte der von euch?
Christoph Grissemann: Wissen wir bis heute nicht genau.
Dirk Stermann: Der wusste auch nicht, wer wir sind. Unsere Produktionsfirma in Berlin heisst „Raumstation“, von denen wurden wir immer gebucht, damals hatten wir auch eine andere Sendung, da kamen dann oft so Listen mit Requisiten: „Ein Schweinskopf…“
Christoph Grissemann: „…Ein Schlachterkittel…“
Dirk Stermann: Die wussten nicht wer wir sind, die dachten, wir sind Astronauten.
Andrea Maria Dusl: Wofür habt ihr in einer Radiosendung einen Schweinskopf gebraucht?
Christoph Grissemann: Das war für unsere Fernsehsendung in Wien. Für die Radiosendung einen Schweinskopf! (lacht)
Dirk Stermann: Um in Stimmung zu kommen, für die Radiosendung.
Andrea Maria Dusl: Ihr seid Alleinunterhalter, zu zweit.
Christoph Grissemann: Im wahrsten Sinne des Wortes. Nichts ist trauriger, als so eine zweistündige Radiosendung. Noch dazu in Berlin, wo man die Leute nicht so kennt, und ohne Vorbereitung so drauflos reden muss.
Andrea Maria Dusl: Kann man sich da an einander festhalten? Im bühnentechnischen Sinn, nicht im haptischen, im emotionellen Sinn.
Dirk Stermann: In Wien ja, in Berlin weniger, weil das verlangt zuviel von einem, man fängt mit so einem negativen Gefühl an und spricht währenddessen auch mit einem negativen Gefühl. Acht Stunden in zwei Tagen. Ohne Vorbereitung ehrlich sein. Es geht ununterbrochen das Rotlicht an und es wird dir signalisiert: „noch acht Minuten!“
Christoph Grissemann: „Reden, reden reden“.
Andrea Maria Dusl: Ehrlichkeit sells.
Dirk Stermann: Mach das mal. Morgens um elf, nachdem du eh, ohne geschlafen zu haben, in Berlin angekommen bist, noch betrunken und krank, es ist sehr unangenehm.
Andrea Maria Dusl: Ist das eine Improvisiationssendung?
Christoph Grissemann: In Berlin ja.
Andrea Maria Dusl: Mit Anrufern? Und ihr schaukelt euch so durch diese Zeit.
Dirk Stermann: Wir schaukeln uns runter.
Christoph Grissemann: Das ist in Wahrheit auch das Erfolgsrezept dieser Sendung. Wer die Radioszene in Berlin kennt, da wirst du ja zugeballert von vorne bis hinten im Radio-Energy-Style. Wir sind, glaube ich, die einzige Sendung, die genau nach anderen Regeln gemacht wird – nämlich zwei traurige Stimmen, die sich im Äther verlieren. Wir haben oft so Schweigepausen, in Berlin oft so sechs, sieben Sekunden. Das kann verdammt lange sein, wo geschwiegen wird, von uns beiden.
Andrea Maria Dusl: Da hätte ich gar nichts dagegen, das zum Standard zu machen.
Christoph Grissemann: Es gibt genug Leute, die das schätzen. Gottseidank
Andrea Maria Dusl: Auch Musiklosigkeit kann etwas sehr schönes sein.
Dirk Stermann: In Berlin ist es dann so, dass bei einer sehr langen Schweigepause der Techniker, den wir sehr mögen, dann irgendwann einfach eine sehr traurige, sentimentale Musik einspielt. Um uns zu unterstützen, um uns in eine Stimmung zu bringen. Wenn wir nachdenklich werden, schweigen wir uns an, weil keinem mehr was einfällt. Dann kommt diese traurige Musik, von der lassen wir uns tragen und geben traurigen Irrsinn von uns.
Andrea Maria Dusl: Zurück zu den Hasen. Wir wisssen also, da wird improvisiert. Was unterscheidet eine Harte-Hasen-Vorführung von anderen Grisssemann-und-Stermann-Allleinunterhaltungs-Entertainment-Events?
Dirk Stermann: Schön formuliert.
Christoph Grissemann: Was man sagen kann: Durch die Erfahrung am Theater, die wir im letzten Jahr gemacht haben, die Aufführung mit Hilde Sochor zum beispiel, haben wir ein bisschen die Lust am Schauspielen entdeckt. Es wird also weniger Stand-up-Comedy sein, als szenisches absurdes Theater, wo ich eher den Geisteskranken spielen werde, was ja meine Paraderolle ist und Stermann den Märchenerzähler mit tiefem Bass, so, oder? Es wird eher ein Theaterstück als die letzten Programme.
Andrea Maria Dusl: Aber Theaterstücke sind doch gemeinhin Geschriebenes.
Dirk Stermann: Es gibt ja auch Sachen, die geschrieben sind, Geschichten, die wir vorlesen. In Berlin ist es zum Beispiel seit 5 Jahren so, dass die Leute nach unseren Auftritten fragen: „Wann ist denn die nächste Lesung?“ Obwohl wir da teilweise überhaupt nichts gelesen haben.
Christoph Grissemann: In Berlin wirst du eher als Autor wahrgenommen,in Österreich als Kabarettist, oder? Wir wollen aber weder Vorlesende sein, noch als Kabarettisten vorkommen in „Harte Hasen“, sondern in Wahrheit als Schauspieler.
Andrea Maria Dusl: Wärt Ihr gerne Schauspieler?
Christoph Grissemann: Ich wäre gerne Schauspieler, ja.
Dirk Stermann: Ich finde das auch gut.
Christoph Grissemann: Wenn du Schauspieler bist und fremde Stücke spielst, fehlt dieser enorme Druck, von dir selbst was geben zu müssen, von dem du eventuell auch nicht überzeugt bist.
Christoph Grissemann: Kein Mensch kann mich verantwortlich machen für die Sätze, die ich sage. Nur für die Interpretation.
Andrea Maria Dusl: Also Grissemann möchte schauspielen, und wie ist es mit ihnen, Herr Stermann?
Christoph Grissemann: Stermann möchte auf Kältetechniker umschulen.
Dirk Stermann: Nee. ich bin ganz zufrieden damit, immer unterschiedeliche Sachen zu machen. Ich möchte weiterhin überraschende Anrufe kriegen.
Grissemanns Handy läutet
Christoph Grissemann: flüsternd: Meine Mutter. laut: Hallo, ich bin gerade in einem Interview…
ja…
ja…
Dirk Stermann: Ulrich Seidl hat mich neulich angerufen.
Andrea Maria Dusl: Was wäre das gewesen?
Dirk Stermann: Sein neues Projekt: „Arbeitsding.“
Andrea Maria Dusl: „Import-Export?“
Dirk Stermann: Genau.
Christoph Grissemann: Das stimmt schon, dass wir, gottseidank in der Lage sind, die verschiedensten Angebote anzunehmen, also zwischen Miss-Wet-T-Shirt-Wahl moderieren und ein Engagement beim Steirischen Herbst ist alles möglich.
Andrea Maria Dusl: Badet ihr in Geld?
Christoph Grissemann: Wenn ich gut mit Geld umgehen könnte, würde ich in Geld baden, so ist es nur Duschen.
Dirk Stermann: Da gibt es diesen super Karl-Lagerfeld-Satz. Der trifft ein bischen auf den Christoph zu, nein trifft eben nicht zu. Karl Lagerfeld hat gesagt: „Er ist schon jemand, der das Geld beim Fenster hinauswirft.“
Andrea Maria Dusl: Zu Grissemann hat er das gesagt?
Dirk Stermann: Hätt er mal sagen sollen, Karl Lagerfeld zu Christoph Grissemann. Hätte er das gesagt, stünde er jetzt besser da: „Ich schmeisse das Geld beim Fenster raus, aber ich schau wo’s hinfällt.“ Das hat der Christoph eben nicht gemacht, deswegen badet er nicht in Geld.
Christoph Grissemann: Wie jeder gute Poet, kein gutes Händchen, was das Geld betrifft.
Andrea Maria Dusl: Wir bräuchten Assistenten, die mit grossen Planen unter unseren Fenstern stehen und das Geld auffangen und wieder raufbringen.
Dirk Stermann: Ich kann das besser, finde das aber gar nicht wichtig. Geld ist mir nicht wichtig, mir war immer nur wichtig, auf niemand angewiesen zu sein. Um richtig reich zu sein, machen wir auch zuviel gratis.
Andrea Maria Dusl: Ihr seid die Barbara Stöckl und die Vera Russwurm für die wirklich harte Fälle. Es gibt ja in Österreich nicht allzuviele Leute, die man zu jedem Anlass auf die Bühne stellen kann. Hermes Phettberg, Peter Rapp und euch.
Christoph Grissemann: Gebrauchsmoderatoren.
Dirk Stermann: Peter Papp ist ein Vollprofi. Ich schau ja Glücksrad, oder wie das heisst.
Christoph Grissemann: Millionenrad.
Dirk Stermann: Ich sehe das wirklich gerne, weil Peter Rapp der einzige ist, dem alles egal ist, der das so professionell macht, wo du auch siehst: der ruht so in sich. Ich kenne im deutschsprachigen Raum überhaupt niemand, der dermassen professionell ist, das find ich schon auch faszinierend.
Andrea Maria Dusl: Gibts da sowas wie ein Kollegengefühl? Kann man von Rapp lernen?
Dirk Stermann: Nur die Ruhe von dem, das ist faszineirend. Ausserdem: man kann nichts Lernen durchs ankucken,
Andrea Maria Dusl: Ich finde, dass ihr auch ganz schön ruhig seid.
Christoph Grissemann: Das haben wir gelernt, durch das jahrelange Tingeln. Wir haben ja alles gemacht, von der Apothekermesse bis zur Flex-Zehn-Jahres-Party. Das einzig wichtige ist, ruhig zu bleiben, auch wenn du gar keine Ahnung hast, wen du da jetzt ansagst, Man lernt das. Ausserdem: Wir bluffen ja auch total viel. Es reicht ja, wenn du da oben stehst und mit sonorer Stimme Ruhe verströmst.
Dirk Stermann: Wir werden ja auch gerne für Sachen gebucht, die so technisch sind, weil wir kennen uns gar nicht aus und die sagen dann: ja genau deswegen ja!
Christoph Grissemann: Für die wird’s lustiger, wenn etwas nicht der Broukal moderiert, sondern Stermann und Grissemann.
Andrea Maria Dusl: Was war da besonders absurd in letzter Zeit?
Christoph Grissemann: „Die Nacht des schönsten Lächelns“ von Wrigley.
Andrea Maria Dusl: Wrigley, die Kaugummifirma?
Christoph Grissemann: Das war der absolute Wahnsinn, wo auch die Sugar-babes aufgetreten sind. Wo die einen ungeheuer langen Soundcheck gemacht haben, obwohl sie einen Vollplayback-Auftritt gemacht haben und totale Zicken waren, und uns der Manger signalisiert hat: Reden, Reden, Reden, sie kommen erst in 15 Minuten. Und das ist der Wahnsinn: 15 Minuten Sugarbabes ansagen. Wenn du nicht einmal weisst, wie das Lied heisst, das die da singen werden.
Andrea Maria Dusl: Wie lange tingelt ihr schon, mit so Leuten wie den Sugarbabes?
Christoph Grissemann: Seit 1993 wird getingelt. 12 Jahre.
Andrea Maria Dusl: Was ist das magische Datum?
Dirk Stermann: Es gibt kein Datum , aber eine magische Erinnerung: Da war so eine Computermesse, in Wien, wo wir dreimal am Tag für irgend eine Gesellschaft eine Show auf der Bühne machen mussten, vor uns Menschen mit halb offenem Mund, meterdicken Brillen, alle so um die Siebzig. Sie haben uns angestarr wie kranke Tiere, das war für mich ein ganz legendärer Moment. Nebenan machte Fifi Pissecker sein Ding.
Christoph Grissemann: …drehte das Glücksrad.
Dirk Stermann: Während auf dem noch-nebenan-Stand ein Spot lief, den wir irgendwann aufgenommen haben, für ein ganz anderes Produkt.
Andrea Maria Dusl: Das war die Geburt von Stermann und Grisemann?
Dirk Stermann: Das war schon der Endpunkt.
Christoph Grissemann: Der Niedergang. Gut war auch die Moderation am Silvesterpfad, wo einer aus dem Publikum schrie: „Euch sollte man aus der Stadt jagen!“ Obwohl wir ganz friedlich moderiert haben.
Dirk Stermann: Der stand ganz vorne. Wir haben, glaube ich, das Runterzählen falsch gemacht. Ich glaube, bewusst sogar. Wir haben das Runterzählen vorher gemacht. Und dann waren die dann alle sauer, weil wir dieses „und zehn, neun, acht, … Prosit Neujahr!“, weil wir das eine halbe Minute nach vorne verschoben hatten. Da war der halt sauer, und der stand dann da und schrie: „Man sollte euch aus der Stadt jagen.“ Und dann kam einer und sagte: „Und übrigens, wisst ihr, dass die Elvis-Imitatoren, auf der Bühne neben euch das Doppelte verdienen?“
Christoph Grissemann: Das war hart.
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Tourplan und Tickets
Stermann und Grissemann Seite
© Udo Leitner 2005
der neu gewonnene unterhaltungswille des duos war nur ein mieser pr-gag von cruise-holmes-ausmaßen. tatsächlich ist „harte hasen“ ein uninspirierter eintopf wie alle vorgegangenen „programme“. radio hören reicht, um grisse und stere im vollen ausmaß ihres wollens und könnens zu erfahren.
Angesichts Ihrer prophetischen Begabung sollten wir uns fragen, warum Sie sich überhaupt die Mühe gemacht haben, das „Programm“ anzusehen. Kriegen Sie Geld für dafür? Und wen halten sie für inspiriert? Raus mit der Sprache: Namen, Daten, Fakten.
fürs rezensionen schreiben hab ich mein lebtag noch kein geld gesehen.
inspiriert ist für mich alf poier, man möge mich schelten dafür. thomas maurer baut sehr schöne und durchdachte programme. josef hader hat zuletzt ein anständiges theaterstück hingelegt.
prophet bin ich keiner (wie kommen Sie darauf? weil ich s&g implizit den zenit ihrer kreativität in die vergangenheit gelegt habe?) und hab mich ja gerade eben vom pr-gag, es gäbe erstmals ein echtes programm, ins studentenverpfropfte audimax leiten lassen, auf öh-wahlkampf-einladung der faust.
dort bekam ich wieder nur geliefert, was ich aus dem salon helga schon besser kannte, und der ist auch nicht mehr gut.
die auftritte von grisse und stere sind reine geldbeschaffungsaktionen. in den programmen wird fast ausschließlich altes wiedergekäut, dieses mal so unverfroren, dass sogar ausgedehnte einspielungen gebracht wurden.
wenn die zwei das oberflächliche ahnungslose kabarettpublikum schröpfen wollen, sollen sie nur, aber sie sollen in keiner sekunde behaupten, das habe irgendetwas mit schöpferischem mehrwert oder theater zu tun.
aber das sind eh schon zu viel der worte bei einem auftritt, dessen größter lacherfolg beim publikum ein „adolf hitler leck mich an der fut“ schreiender stermann war, und das so oft, dass es nicht mehr peinlich, sondern nur mehr ärgerlich war. muss aber auch dazusagen, dass der vor mir sitzende rollenspieler (vorurteil) mit seinem alten schweißgeruch nach außen leitenden schwarzen t-shirt meinen potenziellen kleinkunstgenuss getrübt hat.
die weiteren tiefpunkte: stermann als michael-moore-parodie, an der außer bauch, käppi und amerikanischer sprache nichts an michael moore erinnerte. auch sehr unlustig.
grissemann erntet viele lacher, indem er in einer vollgummimaske spastische bewegungen macht.
eine elendslange liveversion der zeitverbrennaktion „grisse und stere rufen einander an und sind dabei überhaupt nicht lustig, dafür gehen 15 minuten drauf“
10 minuten lang wird ein mit schlachtgesängen unterlegtes und somit gefälschtes interview mit hans krankl eingespielt, um daraufhin die sehr witzlosen krankl-tagebücher zu rezitieren.
zum schluss gabs noch eine unverlangte zugabe von stermann solo, auf die keiner mehr recht lust hatte.