Hundestadt Wien

Erschienen in „Falter“ Nr. 44/04 vom 27.10.2004 Seite: 67.

Liebe Frau Andrea,

ich bin gebürtiger Wiener, lebe aber seit einigen Jahren in Amsterdam. Zurück in Wien ist mir schlagartig bewusst geworden, dass Wien von Hunden zugeschissen wird. Passanten laufen die Wiener Gehsteige in regelrechten Slaloms ab. Das muss doch Gründe haben!

Liebe Grüße, Peter Zangl, Internet

Lieber Peter,

Wien ist tatsächlich eine Hundestadt. Meine These wäre diese: Österreich ist – stärker als andere Nachfolgestaaten der Donaumonarchie – kulturell und politisch auf der Stufe eines mäßig industrialisierten Bauernlandes stehen geblieben. Politiker sprechen von Futtertrögen und Erntezeit, von feuchten Wiesen und Hofübergaben, und das Wahlvolk versteht diese Sprache. Zur ursprünglichen Bevölkerung des kaiserlichen Wien, männerbündlerisch organisierten Hofbeamten, verstädtertem Dienstpersonal aus den meist bäuerlich geprägten Kronländern und assimilierten böhmischen Ziegelarbeitern, stießen in nachmonarchischer Zeit fast nur mehr Kinder von Bauern aus Jugoslawien, der Türkei und Restösterreich. Zu den bäuerlichen Tugenden, die sich in Wien erhalten haben, zählen Frühaufstehen, Sonn- und Feiertagsglorifizierung und Viehbesitz. Weil man in Wien schwer einen Stall mit Kühen oder Ziegen führen kann, besitzt die nur oberflächlich urbanisierte Bevölkerung Hunde. Deren Stoffwechselprodukte und Gassigehzeiten erinnern an Stall, Mistgeruch, den Alltag von Kleinbauern eben.

3 Gedanken zu „Hundestadt Wien“

  1. In ihrem Übereifer und vor lauter Originell-sein-wollen hat Frau Andrea an
    der Frage des Lesers wohl vorbei geantwortet (ein Schmunzeln hat es mir
    allerdings schon entlockt). Die Frage war nicht, warum sich das Wiener Volk
    so viele Hunde hält, sondern warum ganz Wien zugekackt ist. Das eine muss
    nicht mit dem anderen einhergehen…. Ein paar mögliche Antworten: erstens
    sind viele Wiener und Wienerinnen zu fein, zu bequem oder zu sonstwas, um
    den Dreck ihres Vierbeiners wegzuräumen, zweitens sind hierfür zu wenige
    oder gar keine Automaten mit Papier und Nylon vorhanden, und drittens sind
    die Hundezonen so derartig zugekackt, dass es wohl vielen Hunden davor
    graust, dort ihr Geschäft zu verrichten und daher vielleicht den Gehsteig
    oder die Strasse vorziehen. Vielleicht sollte die Stadt Wien mal das
    Hundesteuergeld hernehmen und die Hundezonen regelmäßiger reinigen lassen,
    dann wäre das Problem zumindest teilweise gelöst. Natürlich würden hohe
    Geldstrafen für Hundehalter bei Nichtwegräumen des Corpus delicti aus
    Nichthundezonen das Problem gänzlich lösen. Aber indem man den Grant nur
    auf das Vieh fokussiert und reduziert, wie mir das oft im
    Hundekot(pseudo)diskurs des Falters erscheint, zeugt meiner Meinung nach
    von einer Abspaltung von Tieren und letztendlich von der Natur selbst. Ich, als
    intellektuelle Hunde- und sonstige Tierliebhaberin, glaube, dass sich
    beides – Intellekt und Natur – in ein und demselben Leben schon miteinander
    vereinbaren lassen 🙂
    M. Michalitsch
    28.10.2004 12:35

  2. Dreckquelle
    Es war ja wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch Ihr das Profilierungspotenzial des offenbar wichtigsten Themas der Wiener erkennen würdet, nämlich der Hundekacke. Indem man nämlich fest auf die kackenden Hundsviecher und deren proletoid-aggressiv-uneinsichtige Besitzer schimpft, outet man sich in subtiler Weise als jemand, der für die Sauberkeit in unserer Stadt eintritt, selber so etwas natürlich nie tun würde, Hunde nicht über Menschen, insbesondere Kinder, stellt, sondern den räudigen Tölen den ihnen gebührenden Stellenwert zukommen lässt, den Tierschutzgedanken hochhält, brav beim in letzter Zeit so modernen gegenseitigen Aufhussen diverser Bevölkerungsgruppen mitspielt und Hundehaltern natürlich genau die gegenteiligen Eigenschaften 1-4 zuordnet. Da wäre es natürlich kontraproduktiv, in unaufgeregter Weise ein bisschen was über die viel zu niedrige und nicht zweckgebundene Hundesteuer zu schreiben, die noch dazu parallel zur Verpflichtung der Hundehalter, den Dreck ohnehin selbst wegzuräumen, eingehoben wird. Es wäre auch unpassend, die jahrtausendalte Koexistenz von Mensch und Hund zu erwähnen, über die soziale Funktion eines Hundes in der Familie nachzudenken oder sich zu überlegen, wie diese Koexistenz in der heutigen Zeit und im urbanen Umfeld in allgemein akzeptierter Form weitergeführt werden könnte. Ironie beiseite: Als Hundesteuer zahlender Besitzer eines nicht auf den Gehsteig kackenden Kleinhundes finde ich es nicht sehr lustig, mich seit einigen Wochen in praktisch jeder Ausgabe als unverschämten Halter einer unnützen, gemeingefährlichen Dreckquelle hinstellen zu lassen. Wenn das noch ein paar Wochen so weitergeht, wär’s das gewesen mit meinem Falter-Abo – wenn ich mich gegen Bezahlung beschimpfen lassen will, gehe ich zu einer Domina, da macht’s Spaß.
    Heinz Herbeck, Wien 22

  3. Meine These wäre Diese: Hundebesitzer in der Stadt sind häufig Tierquäler die Ihre „Liebsten“ den Tag über in der Wohnung einsperren und ist der Hunde dann endlich auf der Straße, am Gehsteig angelangt, haltet er es ganz einfach nicht mehr aus und muß !
    Wirklich leid tut mir der Hund, welcher normalerweise niemals auf den Asphalt scheißen würde, sondern irgendwo auf der Wiese in der Nähe eines schützenden Gestrüpps. Sich in der Stadt auf dem Gehsteig anscheißen zu müssen, ist für jeden Hund sicher die ärgste Demütigung ! Das Gequacke von der Hundesteuer, die eh bezahlt wird, geht mir auch super auf die Nerven. Fakt ist, daß (2/3) zwei Drittel (also die satte Mehrheit) der ca. 150.000 Hundebesitzer in Wien keine Hundesteuer bezahlen. Weiters auch das bezahlen der Hundesteuer nicht automatisch die Anmietung aller öffentlichen Flächen beinhaltet. Im Vergleich zahlen 100% der Autobesitzer KFZ-Steuern und dürfen trotzdem nicht überall Öl ablassen und alle Verkehrsregeln ignorieren.
    Ps.: In Ihrer Antwort beleidigen Sie Kleinbauern, was echt nicht sein muß; der Alltag von Kleinbauern ist ganz bestimmt nicht Dreck und Gestank. Ihre Aussage zeigt nur, dass Sie (Stadt-Tussi ?) keine Ahnung von Landwirtschaft haben und Ihre Freunde Verwandte oder auf wessen Hof immer sie waren, ein Schweinderl ist. Sprich seinen Hof nicht ordentlich beinander hat.
    Max Fischer, Wien

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