Kurt Ostbahn ::: Waun de Musik vuabei is

ANDREA MARIA DUSL traf Willi Resetarits und sprach mit ihm über den Frühpensionisten Kurt Ostbahn, Kicken im Beserlpark, lange Haare hinterm Ohr und warum er früher singen wollte wie Ray Charles.
Kurt und Comandantina trafen einander an einem heissen 9ten-Mai-Mittag im Gasthof Quell im 15ten, in der Reindorfgasse.
Das Interview erschien in Falter 27/03
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Kurt Ostbahn.jpgDas Phänomen Ostbahn, der Erfolg jener Kunst- und Kultfigur, die aus Versatzstücken vorstädtischen Wiener Rockertums und den persönlichen Biographien des Musikers Willi Resetarits und des Autors Günter Brödl zusammengeleimt war, geht in die Abschlussrunde. Mehr als 20 Jahre lang hat Resetarits den weisen und grundgütigen Vorstadtproleten Kurt Ostbahn gegeben, begleitet von den Bands „Chefpartie“ und „Kombo“, für deren wechselnde Besetzungen die Spitzenkräfte der österreichischen Rockszene lukriert wurden. Vier Brödl-Romane und ungezählte Comics handeln von den Abenteuern des Simmeringer Lederjackenbesitzers, dutzende, meist vergoldete oder platinierte Alben wurden eingespielt, die legendäre Radiosendung „Trost & Rat mit Dr. Kurt Ostbahn“ war jahrelang im Äther. Nicht zuletzt war der Ostbahn-Kurti aber auch ein Bühnenphänomen, das untrennbar mit dem charismatischen Kommunikations-Talent des Willi Resetarits verschmolzen war.
Willli Resetarits kommt vom Bus, es ist heiss, er trägt ein dunkelblaues T-Shirt und petrolfarbene Bermudas. Wir treffen uns im Gasthaus Quell, jenem legendären Altwiener Wirtshaus, das Schauplatz vieler Ostbahn-Songtexte ist und als verlängertes Wohnzimmer des verstorbenen Ostbahn-Alter-Egos Günter Brödl galt.
Andrea Maria Dusl: Du hast vor kurzem als grossen letzten Paukenschlag gleich zwei neue Alben veröffentlicht, zwei halbe Doppelalben sozusagen, , „Wann de Musik…“ und „…vuabei is“. Die zweite der beiden Platten ist die logische Fortsetzung des Ostbahn-Projekts, bewährte amerikanische Gitarrenmusik aus den 60er und 70ern, während die erste CD erdigere, musikalisch ehrlichere Töne zum Klingen bringt. Darf ein Ostbahn, der so über seine Grenzen gehen kann, überhaupt in Pension gehen?
Willi Resetarits: Da ist schon lange eine andere Entwicklung im Gange (er schiebt langsam die flachen Hände in der Luft übereinander), Musik die ich etwa mit dem Wolfgang-Puschnig-Jazzmusikensemble mache, obwohl wir nicht Jazz sondern nur Musik dazu sagen, ja eigentlich gar keinen Begriff dafür haben.
Die Lieder auf „Wann de Musik…“ klingen sentimental, ja fast traurig, aber auch befreit, obwohl doch der Tod des Trainers (Günter Brödl starb am 10.Oktober 2000 völlig überraschend an Herzversagen) für die Figur des Ostbahn weniger Befreiung als Verlust gewesen sein muss. Muss der Ostbahn in Pension, weil einer seiner Schöpfer tot ist?
Der Ostbahn muss in Würde abtreten, erledigt werden sozusagen, und weil wir das laut und nicht still und heimlich machen wollten, habe ich zu dem Marketingschmäh mit der Pension gegriffen, der aber so gar nicht stimmt. Es muss das Projekt insoferne erledigt werden, als die Texte, die wir auf einem Laptop von Günter Brödl gefunden haben und die alle sehr sehr gut sind, noch veröffentlicht werden müssen..
Ich finde das schön, wenn das so wahrgenommen wird, dass da Klänge dabei sind, die bei Ostbahn nicht üblich waren, Warum soll man immer das selbe machen? Und dann bin ja auch ich der Ostbahn, und als solcher auch interessiert an anderen Klängen, als an wilden Gitarren.

Wie lange hast Du das jetzt gemacht?
Es wird am 31. Dezember 2003 ziemlich genau zwanzig Jahre gewesen sein. Das ist super für eine Ära, das ist okay, wie sagt man… das passt.
Hier im Gasthaus Quell bin ich vor etwa 5 Jahren mit Günter Brödl gesessen, für eine Geschichte über ihn, den „Trainer vom Ostbahn“. An genau diesem Tisch sassen wir, nach dem Gespräch bin ich mit ihm seinen Fünfhausner Kosmos abgegangen. Er hat mir seine Plattensammlung gezeigt und seinen Vater im Wäschegeschäft, das ganze Brödl-Dorf haben wir besucht. Auch in seiner kleinen Wohnung waren wir, in dem Haus schräg gegenüber.
Das ist die „offizielle“ Ostbahn-Wohnung gewesen… und die Frau Mutter hat unten das Bettfedergeschäft gehabt. Da sind dann oftmals die Leute gekommen, fragen, ob da der Ostbahn wohnt, „ja“ hat sie gesagt, „aber der ist auf Dienstreise…“, seitdem haben die Tourneen bei uns gerne das Synonym „Dienstreise“ gehabt.
Wie sehr fehlt die andere Hälfte des Ostbahn, Günter Brödl ?
Für uns lebt er insoferne, als, wenn wir im Studio sind und Platten aufnehmen, wir dauernd mit seinen Texten, mit seiner Sprache, mit seinem Schmäh zu tun haben. Da ist er dann auch dauernd da, da lassen wir ihn dann auch Türen zuhauen (wenn eine zufällt) und fragen uns: „Was wollt er uns jetzt sagen, was ist jetzt los?“
Wie wird es nach Ostbahn weitergehen? Hast Du ein neues musikalisches Projekt?
Stubn-Blues ist ein Projekt, das ich mit meinen Salzburger Freunden erfunden hab, wo wir Wanderungen machen und auf den Hütten spielen und Eintritt kassieren. Wir spielen vermischtes, aber meistens Sachen die uns gut gefallen. Ein eigenes Van-Morrison-Programm ist da zusammen gekommen. Stefan Schubert singt und spielt Gitarre und ist sozusagen der Bandleader, Peter Angerer ist Perkussionist, Klaus Kircher am Bass und mein alter Compañero, Roland Guggenbichler spielt Akkordeon. Und dann haben wir natürlich auch Bläser dabei, wenn wir Van Morrison spielen.
Wohin geht ihr da?
In den Raum Salzburg geht der eine Teil der Reise, der andere nach Südtirol, wo wir in einem Gasthaus Basisstation haben, wo wir ganz fein essen, dann zahma die Instrumente aussa, tan die Teller weg und spüln schon…
Wo bist Du eigentlich zuhause, wo ist Dein Dorf?
Das ist schwer zu sagen, weil es mehrere sind. Der literarische Ostbahn-Kurti ist in Simmering angesiedelt gewesen, nahe der Ostbahn, und der kleine Willi Restarits ist auch nahe der Ostbahn, auf der Favoritner Seite gross geworden, als Kind. So war naturgemäss die Willi-Resetarits-Seite des Ostbahnprojekts der Experte für die Ostbahngegend, für den Kanal, für Simmering, die Hasenleiten, für all die Geschichten am Laaerberg. Später haben wir den Ostbahn hierher in den 15ten ziehen lassen, ganz einfach, weil sich die andere Hälfte vom Ostbahn hier gut ausgekannt hat. Selber bin nach Floridsdorf gezogen, also ich selber, der Willi Resetarits. Die Stationen waren also Favoriten, mein Dorf war Floridsdorf, Bruckhaufen und als junger Erwachsener bin ich dann in den 18ten gezogen.
Wohnst Du dort noch?
Jetzt bin ich wieder auf den Bruckhaufen zurückgezogen. Der Anlass ist nicht so lustig gewesen. Meine Mutter hat in dem Haus gelebt und ist dort gestorben, und so ist dann das Haus auf (SIC!) mich gefallen.
Das ganze Haus?
Ein Einfamilienhaus, mit Garten. Wir haben, wie es sich gehört, ein Einfamilienhaus gebaut, alle, damals mit dem Papa, als die Kinder noch ordentlich Scheibtruhen fahren haben können mit Vollbeton. Ich hab das Haus geliebt, frage nicht…. die andern haben ’kickt und wir haben Beton gemischt.
Warst Du als Kind in der Kreta, der berüchtigten wilden Favoritner Gegend?
Ja, ja die Kreta, nicht zu verwechseln mit der Krim in Döbling. Die Kreta, da ist nicht drüber geredet worden, und ausserdem war die zu weit weg für unsere Exkursionen, die sind ja meist nur um ein paar Häuserblöcke gegangen. Wir Kinder waren am Humboldtplatz, die Humboldtbande. Die vom Wielandplatz waren die Wielandbande. Damals hat man eine Bande sein müssen.
Wieviel sei ihr damals gewesen?
Wer kommen ist… mindestens vier. Damals hat’s noch keine Gitterkäfige gegeben, da hat man Fussball immer über den Park gespielt, in den Beserlparks, wo die Eingänge die Tore waren. Die älteren Damen, beziehungsweise die Mütter mit Kindern haben natürlich geschimpft und gedroht „jetzt geh ich aber auf die Wachstuben“, also… eigentlich haben’s ja gesagt: „jeds geri owa auf di Wochstuum“, die jungen Mütter haben ja schirch gesprochen damals, nicht so schön wie die jungen Mütter heute. Die Matches im Park waren grosse Auseinandersetzungen, das Hinspiel im Humboldtpark, das Rückspiel im Wielandpark.
Habt ihr Blödsinn auch gemacht?
Jaja ja, Mutproben, in den G‘stetten, die die Bomben hinterlassen haben, die die Ostbahn nicht getroffen haben. Aber wir waren nie so weit weg, dass nicht, die Mutter zu hören gewesen wäre. Die hat sich, wenn das Essen fertig war, aus dem Fenster gelahnt und gellend „Erich, Willi!“ geschrien (Erich ist der Taufname von Resetarits-Bruder Lukas, Anm.) Uns war das natürlich wahnsinnig peinlich, weil dann die ganze Gegend gewusst hat, dass wir jetzt abziehen müssen, denn damit das die vier kleinen Kinderohren hören, hat es so laut sein müssen, das es der halbe Bezirk hörte. Sehr unsensibel hab ich das damals empfunden.
Wie weit seid ihr beide, Lukas und Du auseinander?
14 Monate. Wir haben alles gemeinsam gemacht, sehr symbiotisch, Aber dadurch dass wir doch ein bissl auseinander waren, war immer einer der Chef. Er war der Kapitän, ich war die Mannschaft.
Wann ist aus dem Beserlparkbanditen ein Musiker geworden?
Ich habe viel gesungen, hab gerne im Radio die schönen Lieder angehört, aber ganz banalerweise ist mir das selbe passiert, wie einigen Millionen Altersgenossen: Ich hab das erste Lied von den Beatles gehört, ich weiss nicht mehr welches, ich glaube es war „I Wanna Hold Your Hand…“. Das hat so wild geklungen! Heute klingt das ja nicht mehr wild, aber damals! „Die scheissen sich überhaupt nichts“, hast’s geheissen und dann hat man auch schon die wilden Geschichten gehört, dass die sich die Haare in die Stirne kämmen und über die Ohren. Wegen sowas hat man bei uns von der Schule fliegen können!
Hast Du lange Haare gehabt?
Natürlich. In der Schule war das ja strengstens verboten, deswegen war der Trick mit den Haaren folgender: Man hat sichs ein bisschen hinter die Ohren gelegt und aus der Stirne frisiert, aber trotzdem soviel sich angespart, dass sie, wenn man mit der Schülerband gespielt hat, ein bissl übers Ohr und ein bissl in die Stirne gegangen sind. Aber schon damals hat’s Leute gegeben wie den Karl Ratzer, der hat sie bis über die Schulter runter gehabt. Ich weiss nicht, wann der zu sparen angefangen hat, mit den Federn.
Du hast Karl Ratzer (legendärer Wiener Jazzgitarrist, Anm.) erwähnt. Wen hat es damals noch an Helden gegeben in Wien?
Die wirklich einzige Band, auf die sich alle beziehen, waren die…. also ich muss so anfangen: Da waren ein paar ältere Kollegen, die Kontakte nach London gehabt haben, um von dort Platten zu beziehen, die’s bei uns nicht gegeben hat. Von denen hab ich die ersten Soul-Platten gehabt. Also in Wahrheit habe ich von den Rolling Stones die ersten Soul-Tunes gehört, nur habe ich nicht gewusst dass das Soul ist, weil die Rolling Stones sehr klug und selektiv ihre ersten zwei Platten mit Originalmaterial aus den US-Stax bestückt haben.
Hast Du je einen Beatle getroffen oder einen Rolling Stone?
Im Funkhausgang, also im zweiten Stock, wo ich das Studio gehabt habe, wo ich „Trost und Rat“ gemacht hab’, ist aus dem Nachbarstudio der Eric Burdon herausgekommen und da haben wir dann fünf Minuten geplaudert. Aber: Das ist so ein Problem, mir steht das Hirn in so einer Situation, so plötzlich stehst du vorm Eric Burdon! Das war ja einer von diesen Helden aus der Ära, wie ich sie einteile vor „My Generation“ von den Who, was im Herbst ‘65 war. Na was hat’s damals gegeben an Helden? 5 Bands hat‘s gegeben, die wichtig waren, in der Reihefolge: Beatles, Stones, Kinks, Animals …. Aus. Spencer Davis Group und The Who und dann… unübersichtlich.
Erinnerst Du Dich an Dein erstes Konzert?
Das war im – Namen sind mein Problem – Vorläufer der Camera. Barracuda-Dancing, oder Monte-Carlo-Club, wie sie halt geheissen haben die Lokale. Dort, in der Neubaugasse im Keller hab ich zum ersten mal „The Slaves“ gesehen mit dem Ratzer an der Gitarre. Dort durfte ich zum erstenmal spielen – zum 5-Uhr-Tee – später nicht, weil ich noch zu jung war für einen Abendauftritt. Obwohl der Ratzer-Karl genau so alt war, hat er dürfen, warum weiss man nicht. Ich weiss nur, dass ich keine Tonanlage gehabt habe und mein Gesangsmikrophon beim Bassverstärker dazugesteckt habe, und das hat nicht so gut geklungen, ein zweites mal hab ich nimmer spielen dürfen.
Wieviel seid ihr damals gewesen?
Normale Besetzung. Also normal war damals zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug, Gesang. Ein bissl was von den Kinks haben wir gespielt, einiges von den Stones, sicher ein zwei Beatlesnummern. Wir haben nur nachgespielt, natürlich. Das war ‘65.
Wer wärst Du damals gerne gewesen?
Allein die Demütigung, keine eigene Gesangsanlage zu haben und dass die Stimme ganz dumpf aus dem Bassverstärker kam liess keine Phantasien aufkommen. Der Wunsch, das überhaupt zu machen, war aber so gross, dass ich das Demütigende an der Situation in Kauf genommen habe. Lange hat das angedauert. Erst viel später bin ich auf mein gesangsmässiges Vorbild gekommen, Ray Charles. Aber auch da war‘s so: Wann immer ich eine neue Nummer von ihm gehört habe, habe ich mir gedacht, „eigentlich könnte ich sofort zu Singen aufhören… So wie der Ray Charles werd’ ich eh nie singen.“
Zu Deiner Identität. Bist Du Wiener, Burgenländer oder Kroate?
Erst vorgestern ist mir das durch den Kopf gegangen, dass man ja eigentlich viele Identitäten haben kann. Ich bin 100prozentiger Wiener mit hoher Dialektkompetenz, und natürlich Kroate, weil meine erste Sprache kroatisch war, und Burgenländer auch, wenn Du’s noch genauer willst, Südburgenländer. Und Stinatzer bin ich auch noch, so heisst die Ortschaft, wo die Resetarits hersind. Ich hab‘ ja auch musikalisch kein Problem gehabt, einerseits bei den Schmetterlingen Musiktheater mit politischem Engagemnent zu machen und andererseits den Ostbahn zu spielen. Das ist etliche Jahre parallel gelaufen. Man hat mich gefagt, „geh’n Dir die Schmetterlinge so am Hammer, weilst jetzt Ostbahn spielst?“ Aber so war das nicht. Ich wollte damals beides und habe eigentlich auch beides gebraucht. Das wär ja so, als ob man sagen würde: „So, du isst eine Suppen? Wahrscheinlich magst ka Hauptspeis!“
Das Kapitel Schmetterlinge, ist das abgeschlossen?
Ja, es war eine schöne, zwanzig Jahre dauernde Ära, und die ist in sich geschlossen, abgeschlossen, so wie auch das Kapitel Ostbahn jetzt, nach bald ebenfalls zwanzig Jahren – um das futurum exactum zu verwenden – abgeschlossen sein wird.
Hast Du auch eine verborgene Leidenschaft, so wie dein Bruder Lukas (Lukas Resetarits, legendärer Kabarettist, Anm.), der leidenschaftlich Hubschrauber pilotiert?
Wobei seine Leidenschaft darüber zu reden, ja die noch viel grösse ist. Oder über sein anderes Hobby, die Operationen: Soviel operieren (hält eine unsichtbare Erbse zwischen den Fingern) und (sein Arm beschreibt einen riesigen Bogen) soviel drüber reden, was in dem Fall gscheiter ist als umgekehrt. Ich hingegen mache mir zuviel auf einmal aus. Letztens habe ich gedreht und in den Drehpausen hab I heimlich ums Eck Interviewtermine absolviert, immer mit einem Aug rüberscheangelnd, ob I wieder dran bin…
Bist Du eigentlich ein guter Geschäftsmann?
Ich kann das nicht gut, mir ist das peinlich, Geld zu verlangen. Ich hab da jemand, der das für mich macht. Wenn jemand wegen eines Konzertes zu mir kommt, sag‘ ich, sie sollen den Günther Grosslercher anrufen. Wär das nicht so, ich hätte mich schon längst entmündigen lassen müssen. Bei Gagenverhandlungen würde ich vor lauter Rührung meinen Bausparvertrag auflösen und noch was einzahlen für’s Spielen….
© Andrea Maria Dusl

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