Zeigers Sinn

Falter 07/2003 vom 12.02.2003.

Liebe Frau Andrea,

heute früh, als ich mich wieder einmal am eigenen Spiegelbild abarbeitete, fiel mir auf, dass es nicht nur oben und unten, vorne und hinten sowie links und rechts gibt, sondern auch den ominösen “Uhrzeigersinn”. Der geht manchmal von links nach rechts, dann von oben nach unten und so weiter. Er ändert also ständig seine Richtung. Und trotzdem versteht jeder, was damit gemeint ist. Liebe Frau Andrea, Sie wissen sicher, wer sich das ausgedacht hat.

Peter Frantschacher, Internet

Lieber Peter,

ausgedacht hat sich das eigentlich niemand. Die ersten Uhren waren Schattenuhren, die den wechselnden Stand der Sonne am Himmel anzeigten. Im wesentlichen bestehen Sonnenuhren aus einem feststehenden Zeiger, dem “gnomon”, der einen Schatten auf eine Platte oder Oberfläche wirft, zu der er im rechten Winkel stand. Für Beobachter auf der nördlichen Hemisphäre, auf der die Sonne vom Osten über den Süden nach Westen über den Himmel zieht, wirft der “gnomon” einen Schatten, der in der Richtung wandert, die wir heute als “Uhrzeigersinn” bezeichnen. Als nun mechanische Uhren entwickelt wurden, war es nur logisch, den Lauf der Zeiger über das Uhrblatt auch in dieser Richtung wandern zu lassen. Wären Sonnenuhren in der südlichen Hemisphäre erfunden worden, hätten wir heute vermutlich spiegelverkehrte Ziffernblätter. Der Transfer von Sonnenuhren auf mechanische ist auch dafür verantwortlich, dass jede Position auf dem Zifferblatt zwei Tageszeiten bedeuten kann. Eine Stundenzeigerbewegung folgt Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, die andere – auf einer Sonnenuhr natürlich unsichtbar – dem nächtlichen Lauf der Sonne. Kein Zufall ist es auch, dass 12 Uhr mittag oben am Ziffernblatt angebracht ist, denn wenn es genau Mittag ist, die Sonne also im Süden steht, wirft der “gnomon” naturgemäss seinen Schatten nach Norden, oben.

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