Falter 46/2002 vom 13.11.2002.
Liebe Frau Andrea,
das Kulturgefälle ziwschen unseren deutschsprachigen Nachbarn und uns ist doch grösser, als uns Werbung und Medien weissmachen wollen. Jüngst befand ich mich auf Besuch bei Freunden in Berlin und wollte mit ihnen in Berlin-Mitte (ein hipper Bezirk im ehemaligen Osten) “jausnen” gehen. Ich erntete ungläubiges Staunen. Durch diesen Vorfall angeregt bin ich ins sinnieren gekommen, woher denn “die Jausen” überhaupt kommt. Sie wissen sicher Rat.
Marielies Fendesack, Internet
Liebe Marilies,
die Literaturgeschichte kennt eine Dichtung aus dem 13.Jahrhundert, die mittelalterliche Versnovelle “Meier Helmbrecht” von Wernher dem Gartenaere, die schildert, wie ein Bauernsohn hoch hinaus will, zum Raubritter wird und dann elend zu Grunde geht. Als dieser nun als Ritter eines Tages sein Elternhaus besucht, wirft er, um besonders vornehm zu scheinen, mit fremdsprachlichen Grussformen nur so um sich, unter anderem sagt er auf tschechisch “dobré jitro”, (Guten Morgen). Damals war es also schick, tschechische Brocken in die Rede zu mischen. Während dieser Zeit, der Herrschaft des böhmischen Königs Přemysl Ottokars, der seit 1246 Österreich regierte, muss auch das Wort “joužina” oder “jaužina” ins Wienerische übernommen worden sein. Das tschechische Wort ist von einem slawischen “jug” (Süden oder Mittag) abgeleitet und bezeichnete wohl ursprünglich die Mittagsmahlzeit. Von Mittag weht auch der Kärntner “Jauk”, der Südwind oder Föhn. Das alpine Österreich wird wohl auch aus Slowenien mit der slawischen Bezeichnung für das Mittagessen bekannt worden sein, denn slowenisch heisst die Vesper “južina”. Auch das tierische Gegenteil unserer Jause, die Jauche, kommt aus der slawischen Gastronomie. Der flüssige Dung kommt vom Wort “juha”, was nichts anderes heisst als Suppe.