Falter 43/2002 vom 23.10.2002.
Liebe Frau Andrea,
letztens bin ich aus Teneriffa kommend, vom Flughafen mit dem Taxi in die Stadt gefahren. Ich war eine Woche weg gewesen und fragte den sichtlich eingeborenen Taxler, einen Sonnenstudiogebräunten mit reizenden Tätowierungen und schwerstem Familiengold an Händen und Hals nach dem Wetter der vergangegen Tage. “No wos wiad gwesen sein”, antwortete mir mein Fahrer, “gschitt hods wia ned gscheid, easd viare, donn hintre donn zruck. und donn” habe sich “die Liesl zaagt”. Sie kennen sich doch sicher auch mit der Interpretation von Taxlerslang aus. Ich bin zwar Wienerin, aber ganz bin ich nicht schlau geworden. woran man zu denken hat, wenn sich während einer Schlechtwetterperiode die Liesl zeigt.
Sara Edlinger, Neubau
Liebe Sara,
klar doch, weiss ich, was Ihr Fahrer gemeint hat. “No wos wiad gwesen sein”,lässt sich am Besten übersetzen mit: “na raten Sie mal.”, “g’schitt’ wia ned gscheid”, mit: “geschüttet wie verrückt”.“Viare, hintre, zruck” erklärt sich am besten mit “Wind aus wechselnder Richtung”. Die Liesl, die sich am Ende ihres Zitats zeigte, liebe Sara, ist ein urwienerischer Ausdruck für unser Grossmuttergestirn, die Sonne. Ganz im Gegensatz zu dieser Konnotoation wissen Kenner des Wienerischen auch von einer anderen Elisabeth. Es handelt sich dabei um eine Örtlichkeit, die Ihrem Taxifahrer, der von Ihnen beschriebenen Anmutung nach zu schliessen, auch nicht unbekannt sein dürfte. Die Liesl ist das Polizeigefangenenhaus an der Rossauer Lände und in der Wiener Halb- und Unterwelt das Synonym für Gefängnis. Die Liesl hat ihren Namen von ihrer ursprünglichen Adresse, denn die Rossauerlände hiess zu Kaisers Zeiten Elisabethpromenade. Eine 2er-Liesl gibt es auch. Unter diesem Namen ist das Schubgefängnis am Hernalser Gürtel bekannt, während das Landesgerichtliche Gefangenenhaus bürgerlich als “Graues Haus” und weniger bürgerlich als “Landl” bezeichnet wird.