Biertrinking

Falter 16/2002 vom 17.04.2002.

Allerliebste Frau Andrea!

Stimmt es tatsächlich, daß der Brauch, nach dem Anstoßen mit Biergläsern, jene auf die Tischplatte zu knallen, bevor man trinkt, aus Nazi-Deutschland stammt und so viel heißen soll, wie: „Ist da eh kein Jude untem Tisch?“ ?! Wenn ja, sollte das schleunigst publik gemacht werden, ich selbst halte es noch immer für ein Gerücht, obwohl es aus verläßlicher Quelle stammt!

Gruß
Michael Anders, Internet

Lieber Michael,

da haben Sie ja in ein Wespennest der Etiquette gestochen! Ich bewege mich zwar nur sporadisch in Biertrinkerkreisen, würde aber meinen, dass die Herkunft dieses polternden Brauchs mit Unschärfen im deutschnationalen Studententum fokussierbar ist. Ich schöpfe meine Vermutungen zwar nicht aus “verlässlicher Quellle”, könnte mir aber vorstellen, dass das pennälerhafte Ritual des Bierschnellaustrinkens hinter dieser Sitte steckt. Das Niederknallen des Bierkrügels signalisiert “Auf geht’s, Burschen!”. In Kreisen, in denen Worte wie “Ehre”, “Blut” und “Boden” von der Aura der Sinnstiftung beleuchtet werden, gehört es zu den vorrangigsten Männertugenden, einen Bierkrug in einer Geschwindigkeit zu leeren, die in keinem Verhältnis zum erzielten Lustgewinn steht. Mag sein, dass das Anschlagen antisemitischer Untertöne solchen Bräuchen ein zusätzliches “teutsches” Signum verleiht. Einer ähnlich burschikosen Quelle wie der Ihren entsprang beim Stolpern auf der Strasse der antisemitische Satz: “Hoppla, da is a Jud’ begraben.” Was die geographische Zuordnung des von Ihnen hinterfragten Brauchs angeht, dürfte mit “Nazi-Deutschland” vor allem das heutige Bayern und Österreich gemeint sein. Eine Stange Kölsch kann man gar nicht auf den Tisch knallen…

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