Hermann Nitsch

In Wien gibt es einen berühmten Haareschneider, den allseits bekannten Szenefriseur Erich Joham, in ‚der Szene‘ schlicht ‚Der Erich‘ genannt. Der Friseursalon von Erich Joham nennt sich Er-Ich. ‚Zum Erich‘ gehen alle, ich betone alle Wiener Prominenten. Ich glaube, es gibt niemanden von relevanter, ja nicht einmal von selbsterklärter Prominenz, der noch nicht bei Erich Haareschneiden war. Der Erich ist so unbestritten, weil er vom Fürsten Schwarzenberg abwärts alle gleich behandelt werden. (Für Erich sind auch Sandler prominent)

Erich schneidet nicht mal ausserordentlich gut Haare. Seine Fähigkeiten liegen auf einem anderen, viel wichtigerem Gebiet: Erich kann ausserordentlich gut haarschneidereden. Besser als alle Haarschneideredner der sonstigen Welt. Erich ist der Dalai Lama der Frisur.

Nitsch.jpgEines Jahres fand nun statt, dass eine Sendung mit Herrn Erich produziert wurde, in der er Prominenten die Haare schnitt und dabei mit ihnen haareschneidredete. Der Fernsehsender versprach sich Einschaltziffern davon, dass Nichtprominente Prominenten beim Haaregeschnittenwerden und Erich beim Haareschneidreden zusahen.

Meine Aufgabe bestand darin, mit einem Mikro hinter den Kulissen einer grellbunten Friseurdekoration in einem kleinen Studio in der Wiener Schönbrunnerstrasse zu sitzen und Herrn Erich per Ohrstöpsel live Regieanweisungen zu geben, was er haareschneidredenmässig so von sich geben sollte. Erich litt nämlich stets unter mindestens 42,7¡ Lampenfieber und war haarscheideredentechnisch nicht auf dem gewohneten Damm, ja ohne Hilfe von aussen fast so etwas wie sprachlos. Keine gute Ausgangslage für professionelles Dalai-Lamamässiges Haarschneidereden. (Die Idee für die Einflüstereien kam übrigens direkt von Erich selbst, der mir diesbezüglich absolut vertraute. Insoferne war ich die poetische Krücke des Herrn Erich und mit dieser Krücke unterm Arm lief er die 100 Meter Haare regelmässig unter 19,8 Sekunden )
So kam es, dass Niki Lauda, Hermes Phettberg und sogar der noch lebende Falco von mir regieanweisungsmässig haarschneidefernberedet wurden.
Eines der Haarschneideopfer war Hermann Nitsch!

Weil Hermann Nitsch’s weisser Bart aber nicht viel Coiffure verträgt, schnippselte Erich nur an den Rändern herum, im Indochinabereich der Nitsch’schen Bartgeografie sozusagen und etwas an den Hebriden. Dazu schwafelten wir drei (Nitsch wusste nicht, dass ich per Ohrstöpsel dabei war) über Schubert, Weisswein und die Liebe.

Nach der Sendung kroch ich über den Boden und sammelte exklusive weisse Barthaare von Hermann Nitsch ein, die ich in kleines Kuvertchen aus Küchenrollenpapier einschlug und seither an einem geheimen Ort bewahre.

Ein Gedanke zu „Hermann Nitsch“

  1. Liebe Frau Dusl, da hat sich ja noch niemand getraut zu antworten- oder
    wars uninteressant? ich finde das Bild sehr schön, daß Sie aufm Boden
    rumkriechen und die Bartschnipsel von Hermann Nitsch aufsammeln.
    Zum Thema „Erich kann auch schneiden“: Birgit Doll hat gemeint, er hat ihr-
    um die Kontur gradezumachen- Tape auf den Nacken geklebt und alles, was
    drunter pickte, abgeschnitten.
    Ich hab mir auch gedacht, warum hab ich die Schnipsel vom Perman(früher
    noch „schlager“)verdammt nochmal nich eingesackelt, ich könnte das
    teuer….an Fans..aber es sind Haare! What the hell!
    Danke, Frau Dusl, und einen wunderschönen Tag noch (ohne Haare),
    Ihre
    Anna
    12. Jänner 2005 06:20:26 GMT+01:00

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