Satan Bin Laden

Falter 39 B/2001. 26.09.2001.

Liebe Frau Andrea!

Ein Freund, der normalerweise nichts mit Religion am Hut hat, hat mir gestern ein verstörendes Bild gemailt. Es zeigt Rauchwolken, die aus den brennenden World Trade Center-Türmen schlagen. In den Wolken ist eindeutig das Gesicht des “Teufels” zu sehen. Ich war geschockt. Stecken Osama Bin Laden und Satan unter einer Decke? Ich will lieber an eine Bildmanipulation glauben.

Verstörte Grüße,
Jan, Margarethen

Keine Angst, Jan,

Sie sind nicht in unmittelbarer satanischer Gefahr. Der afghanische Hatschi Bratschi und der Gottseibeiuns haben zwar beide spitze Bärte, aber darin erschöpft sich schon das Gemeinsame. Die Bilder, die sie ansprechen und die unter www.snopes2.com/ spoons/ photos/ wtcface.htm zu sehen sind, zeigen tatsächlich so etwas wie ein “menschliches” Gesicht. (Der Photograph Mark D. Phillips und seine Agentur Associated Press beschwören übrigens die Authentizität der Bilder.) Das Phänomen, um das es hier, unabhängig von der Frage der Bildmanipulation geht, heisst Pareidolie. Darunter versteht man jenen Typus Illusion oder Fehlinterpretation, der einen vagen oder obskuren sinnlichen Stimulus als etwas klares und bestimmtes, als “ein Bild” deutet. So können Flecken in einer Palatschinke zum Abbild der Muttergottes oder ein simpler Kaffeefleck zur Elvis-Erscheinung werden. Die einen sehen Kalifornien in Gorbatschows Stirnmalen, die anderen ein Gesicht im Mars. Pareidolien bieten eine psychologische Erklärung für viele Delusionen, die auf sinnlichen Erfahrungen basieren. So erklären sich UFO-Sichtungen, obskure Mitteilungen auf rückwärts gespielten Schallplatten und Begegnungen mit Elvis, Bigfoot, und dem Loch Ness Monster. Unter klinischen Umständen benützen Psychologen Pareidolien als eine Mittel zum besseren Verständnis von Patienten. Das profanste Beispiel für diese Technik ist der gute alte Rorschach-Klatschflecken-Test.

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