Falter 50/98, 9.12.1998
Wie sehen sie aus, fragte ich mich stets. Wie sehen die Kreaturen aus, vor deren Zugriff wir unsere Fahrräder beschützen? Sie mit Ankerketten und Seilbahnkabeln umwickeln und mit kryptonitenen Bügeln an armdicke Masten ketten? Haben sie die triefenden Schlupflider der Diebe und Sackstierler? Strotzen ihre fingerkuppenlosen Langfinger von Eitergeschwüren? Tanzen Flocken aus toter Kopfhaut auf ihren Schultern, tragen die Klaugiere ihre Krägen voller Schuppen™? Stinkt es in ihrer Nähe nach billigem Erbrochenen? Nein. Fahrraddiebe sehen anders aus. Nicht wie die straffälligen Azubis in deutschen Tatortfolgen, nicht wie die Habenichtse in neoveristischen bianco/nero-Filmen. Fahrraddiebe sehen aus wie Sieger. Sie haben verschmitzte Äuglein, kantige Kinne, saubere Schultern und Bankkoten, die nach Heirat rufen. Und sie kommen immer zu zweit. Stets ist ein Betreuer dabei, und stets drängt die Zeit, denn Flugzeuge warten nicht. Taxis lassen sich nie finden und Mietpferde sind lahm oder tot, oder nicht üblich in der Gegend. Und dann passiert es. Zu zweit, im Beisein eines Betreuers krallen sie sich das Rad, die Diebe. Irgend eines. Und gondeln damit zum nächsten Airport. In Schlangenlinien, zur wartenden Maschine. . . Hörme und Schiffi, wie konntet ihr mir das nur antun? Warum stahlt ihr nicht meines?