Falter 23/98, 3.6.1998
Gut Ding braucht nicht nur Weile, es braucht vor allem Verpackung. Je besser das Ding, desto verpackter ist es, soviel können wir getrost behaupten. In der Natur, unserer Lehrmeisterin in Sachen Marktmechanismen finden wir lohnende Beispiele zur Illustration dieses Prinzips. Perlen zum Beispiel:Die liegen nicht einfach so herum, sondern sind ziemlich aufwendig in Muscheln verpackt. Oder Kaviar: Auch nichts, was so, mirnichtsdirnichts vom nächsten Baum hängt. Richtig guter Kaviar ist in mindestens zweihundert Kilo kaspishen Stör gewickelt.Schlecht Ding wiederum kann verbessert werden, in dem es aufwendig verpackt wird. Kinderüberraschungseier, Zigaretten, Urlaubsfotos… die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Besonders perfide Verpackungsstrategien verfolgen die Nahversorgungsmonopolisten. Käse wird nicht Käsegerecht, sondern Verpackungsgerecht gehandelt. Das Kassapickerl ist aus sicherheitstechnischen Gründen so untrennbar mit der hauchzarten, aber unzerstörbaren Klarsichtfolie verklebt, daß Abreissen nicht ohne den Verlust von drei Fingernägeln einhergeht. Einmal perforiert läßt sich Weichkäse dann leicht mit einem Strohhalm aufsaugen. Hartkäse läßt sich in kleinen Bröckchen rausschütteln oder mit einer medizinischen Pinzette entnehmen. Gut Ding braucht eben Weile.