Falter 5/98, 28.1.1998
Experten haben errechnet, daß in Wiens Haushalten mehr Tiere leben als Menschen. Nun ist Wien mit Ställen, Pferchen, Koppeln und Almen nicht gerade gesegnet, sodaß die Haustiere Wiens zum Großteil von Pedigree-Pal und Kitekat-Konsumenten gestellt werden. (Die Zahl der Wohnungen, in denen sich die anmutige Anaconda, der wendige Waran oder der lebenslustige Leopard wohlfühlen, wird rapide kleiner.) Katzen und Hunde sind es, die die Wiener Haushalte bewohnen, sie stellen den Großteil der Wiener Bevölkerung. Bei mir daheim war das stets anders. Bei mir fühlten sich immer nur die Mäuse wohl. Mit ihren kleinen Zähnchen schlugen die fleissigen Nager weitverzweigte Tunnelsysteme in die alten Mauern, mit listigen Knopfaugen konnten sie stundenlang vor der Käseglocke schmachten, die mit allem gefüllt war, was ein Mäuseherz begehrt. Wenn ihnen das zu fad wurde, knabberten sie sich in meiner Chardonnay-Stoppel-Sammlung veritable Räusche an und torkelten an jeder Falle vorbei, in ihre mit Küchenrollenpapierschnitzel ausgepolsterten Gänge. Auch Musik hörten sie gerne. Das war einmal. Die Mäuse sind fort. Ganz einfach fort. Haben sie sich ein neues Paradies gefunden? Sind sie auf Grüne-Veltliner-Korken umgestiegen? In die Toscana gezogen? Oder sind sie Opfer der Kitekatmafia geworden?